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SCHMYT – UNIVERSUM REGELT

© DIVISION

Genre: Pop-Rap

In ausgewählten Kreisen gilt Schmyt als bester deutscher Sänger dieser Tage. Auf seinem Debütalbum Universum regelt kann man sich davon ein Bild machen. Der irgendwann im 20. Jahrhundert in irgendeiner Stadt geborene Sänger, gibt sich Rap und Pop hin, will aber nicht den einfachen Weg des Pop-Raps gehen.

BACKGROUND

Julian Schmidt aka Schmyt studierte in den Niederlanden Jazz und Pop, was ihn schon einmal zu einem untypischen Popkünstler macht. Er trat 2013 der Elektro-HipHop-Kombo Rakede bei, die sich im Laufe der Jahre einen Namen in der Szene machen konnte. Die Solo-Karriere startete etwas später, erst im Februar 2020 ließ er die Welt an seinem Talent teilhaben. Die Singles Niemand und Taximann erschienen, die beide von Haftbefehls Haus- und Hof-Produzenten Bazzazian produziert wurden. Vor allem Taximann konnte Schmyt nach oben spülen, ein Track, an dem er sich stark an Frank Ocean orientierte und mit dem er seitdem auch verglichen wird. Uns begegnete Schmyt schon bei der Review zu RINs neuem Album Kleinstadt, auf dem er bei mehreren Tracks zu hören war.

Als Songwriter arbeitete er schon mit Till Lindemann, Seed oder Max Giesinger zusammen. Nun erschien sein eigenes Debütalbum Universum regelt.

REVIEW

Wenn Frank Ocean erwähnt wird bzw. als musikalisches Vorbild dient, liegt der Verdacht nahe, dass Herzschmerz ins Spiel kommt. Deutscher RnB-Herzschmerz, wodurch sich Schmyt in sehr gefährliches Terrain begibt, um nicht in die Abgründe des Kitschs zu fallen. Diese Sorge ist zunächst vielleicht ein bisschen berechtigt, wenn er im Opener Ich wünschte, du wärst verloren erklärt: ich wünscht du wärst schwach, damit ich dich halten kann. Aber viel kitschiger wird es auf Universum regelt nicht mehr. Es wäre sogar eine ziemliche Gemeinheit, Schmyts Songwriting in die Nähe von übertriebenem Selbstmitleid oder großspurigen Liebesbekundungen zu setzen. Weil – er trifft eigentlich immer und nimmt sich den unterschiedlichsten Liebes-Themen an.

Wer den Opener nicht feiert, der hat kein Herz. Period. Der Song ist auf allen Ebenen herausragend, gesanglich top, musikalisch so fein klein und doch manchmal so akzentuiert groß und der Text einfach ehrlich und aufrichtig. Ich wünschte du wärst verloren, damit ich dich retten kann. Auch wenn sich Schmyt mit der Rolle des hoffnungslos Verliebten, der nicht beachteten Liebesoption abfinden muss, kann er auf den Ausdruck seiner Gefühle mächtig stolz sein.

Die ruhigen Momente werden je unterbrochen, wenn Medusa beginnt. Deutlich höheres Tempo, angepeitscht von den Drums versichert Schmyt, dass er dorthin gehen wird, wo auch Medusa hingeht. Ganz feine zerlegte Gitarre im Wechselspiel mit den pochenden Drums und Schmyts Crescendo-Mehrstimmigkeit, die eine düstere Stimmung kreieren, die aber in einen Bann zieht.

Und von diesen Bann-Ziehern hat er noch einige mehr zu bieten. Liebe verloren wählt einen äußerst untypischen Ansatz, indem er sich wohl bei seiner Ex-Freundin entschuldigt, sie verlassen zu haben und sie jetzt mehr oder weniger durch die Trennungshölle zu schicken. Untypisch deshalb, weil Männer eher nur mit oberflächlichen One-Night-Stands prahlen, denn sich aufrichtig zu entschuldigen. Ein sehr ruhiger Klaviertrack, der von Schmyts herausragender Stimme und dem wunderbaren Text lebt. Du triffst niemand, ich treff’ die Jungs / Geh’ vor die Türe, du vor die Hunde / Ich such’ ein tröstendes Wort, doch ich hab’ nichts / Ich wünschte wenigstens, du hasst mich. Ja, an der Grenze, aber noch nicht drüber.

Wie neulich schon in abgehört erwähnt, zählt Abendkleider und Nadelstreifen zu den Favoriten. Ein Track, der Schmyts musikalischen Kosmos sehr gut zusammenfasst. Ein bisschen vernuschelt, aber dennoch instrumental aufregend, mit einem Text, den man aufmerksam verfolgen muss, um die ganze Wucht von Schmyt nachvollziehen zu können. Dass er ein gewiefter Schreiber ist, lässt sich am titelgebenden Track Universum regelt nachvollziehen. Schmyt hat die ein oder andere Gewalt- oder zumindest Rachefantasie parat, die man lange Zeit auf eine weibliche Person projiziert. Sein Hass lässt aber nach, er lässt das Universum regeln. Die Auflösung des Adressaten findet in einem kleinen Nebensatz statt, wenn er sagt: Komm mir nicht mehr mit ‚Bruder‘, der Cut geht zu tief. Also geht’s um einen garstigen Freund. Hier bekommt Schmyt Unterstützung von Majan, der gleich bei zwei Liedern mitmachen darf. Majan tut im Fall von Universum regelt der Dramatik gut, seine Intonation hilft der Verzweiflung. Ich mach mich nicht zum Hurensohn für dich ­betont Schmyt, der sich trotz des Verrats seines Freundes nicht die Hände schmutzig machen will. Er ist es nicht wert.

Es muss aber auch die Momente geben, wie Schmyt nicht gewünscht ist. In Höhenangst beißt er sich die Zähne an einer Angebeteten aus. Morgen ist auch nur ein neues Jetzt, sagt er in einem sehr entspannenden, aber trotzdem nachdrückenden Song. Bumms holt die vermeintliche Leichtigkeit zurück, wenn er von Reihenhäusern, wie Särge singt und dem Drang sich ohne Grund zu betrinken, um die Provinz auszuhalten. Ironisch und ein bisschen zynisch, aber auch eine willkommene Abwechslung zum restlichen offensichtlichen Liebesdrama. Wenn OG Keemo auf deinem Debütalbum vorbeischaut, hast du prinzipiell alles richtig gemacht. Der Meister des deutschen conscious Rap steuert eine Strophe am Closer Mach kaputt bei, in der Schmyt durchaus depressive Züge zeigt. Vor Keemos Part wird die Stimmung düsterer und je länger er rappt, desto härter entwickelt sich der Beat. Ja ich lasse los, damit darf Keemo auch das Album – ziemlich abrupt – enden.

Dennoch gibt es auch den ein oder anderen ausbaufähigen Punkt auf Universum regelt. Da wäre zunächst die leicht Reggae-orientierte Kollaboration Alles Anders (weniger im A****) mit Cro, die vor allem wegen des Gasts nicht mit vielem auf dem Album mithalten kann. Ich habe diesem Track in einer abgehört-Folge schon einmal eine nicht sehr gute Bewertung gegeben. Ich würde sie mittlerweile auf „meh“-Niveau revidieren, was ausschließlich an Schmyts Leistung liegt. Cro versucht ihn zu kopieren, was aber nicht mehr als ein müdes Schmunzeln ob der Theatralik des Pandas hervorruft. Keiner von den Quarterbacks dürfte der durchschnittlichste Track von Schmyt sein. Alles ok, nichts besonders schlecht, aber halt auch nichts, was irgendwie hervorsticht. Außer man steht auf 25km/h-Referenzen. Der Mittelteil des Albums kann überwiegend solide Tracks aufweisen und bietet mit Scherben und Schnittwunden noch eine musikalische Abbildung einer toxischen Beziehung. Textlich sicherlich ganz vorne dabei, dafür aber im Allgemeinen etwas langatmig. Wie auch Tangobounce Freestyle, der mit zweieinhalb Minuten zwar relativ kurz ausfällt, sich aber länger anfühlt.

Aus der Reihe tanzt das Proteinprodukte 2D Metaverse Skit, das Schmyt über Influencerinnen herziehen lässt. Bist du wirklich so alleine, dass du insta-süchtig bist? Überhaupt sieht er nur Ärsche, Proteinprodukte und Ärsche, wenn er durch seine Timeline scrollt. Durchaus amüsant.

FAZIT

Gelungenes Debüt eines sehr talentierten Sängers und noch besseren Songschreibers. Die große Divergenz fehlt noch, aber das geht für das erste Album schon in Ordnung. Schmyt hat auf Universum regelt sein Talent zu Genüge unter Beweis gestellt und sich auch noch den nötigen Platz für eine eventuelle Weiterentwicklung frei gelassen. Deutscher RnB kann funktionieren, wenn man ihn so macht wie Schmyt.

7,7/10