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Panic Shack – Panic Shack

Label: Brace Yourself Records

Genre: Punk

In Großbritannien boomen gerade Rockbands – weibliche Rockbands! Nach Wet Leg, The Last Dinner Party oder den Lambrini Girls gibt es jetzt mit Panic Shack noch eine weitere Gruppierung, die ordentlich auf den Putz haut – und gleichzeitig überhaupt keine Lust auf Anpassung hat. Die walisische Band hat im Juli ihr selbstbetiteltes Debütalbum rausgebracht – und ob die Gruppe den Vorschusslorbeeren gerecht wird oder doch nur Standard-Punk geboten wird, schauen wir uns in dieser Review an.

Ich bin ja wirklich begeistert, wie sich die Musikwelt in UK gerade entwickelt. Da sprießen quasi ständig neue Bands aus dem Boden, die wieder richtigen Rock machen – oder zumindest eine Gitarre in die Hand nehmen und für ordentlich Krawall sorgen wollen.

Panic Shack ist das jüngste Beispiel in einer Reihe von vielen neuen und aufstrebenden Gruppierungen, die sich aus Frauen zusammensetzen und sich kein Blatt vor den Mund nehmen. Die fünfköpfige Gruppe kommt aus Wales, besteht aus vier Frauen und einem Drummer – und ist noch eine echte Punkband: Zuerst wurde die Band gegründet, dann erst die Instrumente gelernt. Dass man da Punk als Genre wählt, liegt natürlich auf der Hand – so komplex ist das Genre fürs Erste nicht, was den Mitgliedern zusagte. Meistens braucht man ja nur vier Akkorde für ein Halleluja.

2018 fanden Sarah Harvey (Gesang), Meg Fretwell (Gitarre/Gesang), Romi Lawrence (Gitarre/Gesang), Em Smith (Bass/Gesang) und Nick Williams (Schlagzeug) zusammen – und seitdem hat die Band einen richtig schönen Hype erzeugt. Erste Auftritte wurden frenetisch von Fans und Medien gefeiert, und dementsprechend groß war die Vorfreude auf dieses Debütalbum.

2022 kam zunächst eine kleine EP mit dem Namen „Baby Shack“ raus – nach drei weiteren Jahren jetzt also die erste Langspielplatte. Und die hat es in sich: Sie strotzt nur so vor Selbstbewusstsein, bitterböser Ironie, direkter oder versteckter Gesellschaftskritik – und vor allem einem durchgängigen musikalischen Drive.

Wie sie es angehen, wird sofort im Opener „Girl Band Starter Pack“ klargemacht. Ein Song mit viel Rhythmus, mit mehr Sprech- als richtigem Gesang und einem eingängigen Riff, in dem es darum geht, was man als Girlband eben so macht: sich nach der Arbeit treffen, ein paar Drinks zu sich nehmen, das Wochenende feiern, einfach leben und eskalieren. Da wird gute Laune versprüht, aber noch nicht bis zur letzten Eskalation gegangen – es wird schon mal angedeutet.

© Megan Winstone

Dafür geht es dann mit „Gok Wan“ so richtig los. Dieser Song zeigt erstmals, was die Band wirklich draufhat: fantastische Texte über Körperbildideale, die in den Medien verkauft werden – und der Umgang damit.I look good, that’s all I do. My body is yours, enjoy the view und weiter: Nothing tastes as good as skinny feels. Hier werden sie richtig schnell und heavy – und erstmals auch dynamisch gespielt, was dem Ende des Songs noch mehr Tiefe und Dringlichkeit verleiht. Ein kompletter Banger gleich zum Albumbeginn.

Natürlich darf man als Punker:in auch kein Klischee auslassen – und so ist es nur konsequent, die eigene Faulheit zu feiern. Das passiert in „Lazy“, wo sich Sängerin Sarah immer wieder fragt, wofür sie dieses und jenes überhaupt tun soll. Procrastination’s my middle name, gibt sie stolz zu. Musikalisch wird’s dabei etwas sprunghafter: Die Drums bekommen mehr Raum, bringen sogar ein bisschen Funk mit, und der Synthie mischt sich auch ein. Die Breaks sitzen, der Bass treibt an – und zum Schluss bleibt nur noch die Erkenntnis:
You can’t make me, ’cause I’m lazy and I like it. Ich mag den Drive hier sehr gern.

Wie auch auf einem der absoluten Highlights der Platte: „Tit School“. I didn’t go to BRIT School, I went to tit school. I didn’t get straight As, I got Double Ds. Das erinnert ein wenig an Wet Leg und „Chaise Longue“ – nur noch direkter. Wenn es im Refrain heißt: First they laugh and then they copy, wird das im Chor gesungen – was alles noch ansteckender macht. Ich liebe den Track nicht, weil er musikalisch sonderlich aufwendig ist, sondern weil einfach alles zusammenpasst – Text, Attitüde und Sound.

Mit „We Need to Talk About Dennis“ wird’s ein bisschen ruhiger – zumindest musikalisch. Lyrisch aber nicht: An Dennis wird kein gutes Haar gelassen – der Parade-Loser vom Dienst. Sängerin Sarah bringt die Story großartig rüber. Und ich finde, dass der relativ cleane instrumentale Ansatz viel Gutes tut, um den Sprechgesang zur Geltung zu bringen.

Die Albummitte finde ich ein bisschen durchschnittlich. Zwar haben die Songs „Do Something“ und „Personal Best“ auch ihre Stärken – vor allem textlich – aber es stellt sich ein recht ähnlicher Vibe ein. Ich bin normalerweise kein Freund davon, Songs zu kürzen, aber ich glaube, dass man hier jeweils eine halbe Minute hätte einsparen können, um mehr Power zu erzeugen.

Von der gibt’s dann wieder genug in „Pockets“ – einem wunderbar doppeldeutigen Song über die absolute Unbrauchbarkeit von Frauenjeans ohne Taschen und über den gesellschaftlichen Veränderungsdrang in Sachen Gleichberechtigung. I’ve got change, I want change – das funktioniert sowohl als Wortspiel (Trinkgeld) als auch auf einer größeren Ebene. Und dann noch der eigentliche Refrain, der laut mitgesungen wird: VAPE! PHONE! KEYS! LIPGLOSS! Ziemlich großartige drei Minuten.

Ähnliches kann ich auch über „Unhinged“ sagen, wo sie sämtliche Standard-Datingprofil-Sprüche und Hobbys zerlegen. Ich liebe den Text und das Thema sehr – das ist wunderbar edgy vorgetragen. Man versteht hier einmal mehr, warum Datingplattformen eine bittere Sache sein können, weil sich eh jeder und jede als interessiertesten Menschen der Welt verkaufen will. Hier gibt’s sogar eine Trompete, die gut in die jeweiligen Textstellen passt.
Sarah verrät dann in den letzten Sekunden, was man tun muss, um sie für sich zu gewinnen: Bring sie zum Lachen.

Und mach besser nicht solche Dinge wie in „SMELLARAT“, wo es um sexuelle Belästigung geht – hier schlagen sie einen fast IDLES-artigen Ton an. Who invited you? I can smell a rat, I can see a rat… I could kill a rat. trägt Sarah ziemlich ruhig über einen funkelnden Synthie vor – bis die Gitarre wieder einsetzt und sich das gesamte Konstrukt mehr und mehr zuspitzt. Ohne ganz großen finalen Knall – aber mit Wirkung.

Dafür gibt’s zum Schluss noch den Closer „Thelma and Louise“, der sehr aufgeweckt daherkommt und eine echte Ode an die Freundschaft ist. Ob Patty und Selma aus den Simpsons oder eben Thelma und Louise – egal:
I’d ride for you, I’d die for you. Der poppigste Song des Albums – aber kein bisschen zu cute. Stattdessen bleibt das Ganze immer noch am Gaspedal – nur eben ein bisschen eingängiger in seiner Gesamtheit.

Also insgesamt ist dieses Debüt sehr gelungen. Vor allem die Texte machen die Platte zu etwas Besonderem – sie sind immer auf den Punkt, sehr frisch, frech, stets aufrichtig, ironisch oder bitternst.

Der Sound ist solide – auch wenn man keine komplexen Arrangements à la English Teacher bekommt. Aber das braucht es hier gar nicht. Die Lambrini Girls waren in ihren Botschaften unmissverständlicher, Panic Shack gehen das Ganze verspielter, aber nicht weniger durchschlagkräftig an.

Wertung: Starke 7 – schwache 8 von 10.