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Bruce Springsteen – Letter To You

© Sony Music

Der Boss wird nicht müde: Bruce Springsteen bringt mit Letter To You sein zwanzigstes Studio-Album auf den Markt. Natürlich wieder mit dabei –seine E-Street Band.

Musiker weltweit sehnen in Pandemiezeiten nichts mehr als Livepublikum. Keine Konzerte spielen zu können, Tourneen verschieben zu müssen, Unsicherheiten über Einkommen, Zukunftsängste – die Branche wird derzeit vor ordentliche Probleme gestellt. Umgekehrt geht es jedem Musikliebhaber ähnlich. Im Pulk vieler Menschen zu stehen und dem Lieblingskünstler bei der Arbeit zusehen zu können fällt derzeit aus. Es gibt Alternativen – Livestream-Konzerte – aber wirklich zufrieden ist keine der beiden Seiten damit. Konzerte von Bruce Springsteen stehen für pure Energie, aber auch der Weltstar muss sich an die Regeln halten. Sein neues Album Letter To You lässt Fans nur erahnen, wie groß die künftigen Konzerte werden können.

Rauer Sound

Zwanzig Alben, seit über 40 Jahren im Geschäft – der mittlerweile 71-jährige Springsteen hat immer noch nicht genug. Letter To You ist ein Zurückkommen zu den Wurzeln. In den Jahren entwickelte Springsteen diverse Erfolgsformeln, die sich in seinen Aufnahme-Prozessen manifestierten. Demo-Aufnahmen beispielsweise, die schon längt gang und gäbe sind. Für sein 20. Album hielt er auf Bitten seines Keyboarders Roy Bittan Abstand von vorgefertigten Demos. Die E-Street Band sollte wieder Musik wie früher machen, sich im Studio treffen und gemeinsam anhören was der Boss ausgetüftelt hat, um dann auch schnell aufzunehmen. So entstand ein raues, aber auch ein von Live-Energie strotzendes Werk.

Zwölf Songs, eine Stunde voll neuer Musik. Für Springsteen-Verhältnisse findet man auf Letter To You wenig Politik-Kritik. Einzig in Rainmaker kann man Anspielungen auf die Präsidentschaft Donald Trumps finden. Der Rest des Albums dreht sich um persönlichere Dinge – hauptsächlich um den Tod.

Am Leben

Im Laufe der Jahre musste Springsteen den Tod von vielen Weggefährten verkraften. Sein enger Freund und Saxphonist der E-Street Band Clarence Clemons verstarb schon 2011 an den Folgen eines Schlaganfalls und wird seitdem durch seinen Neffen Jake Clemons ersetzt. Mit George Theiss verstarb im Juli 2018 einer der ältesten Bekannten Springsteens, mit dem er zusammen die Band The Castiles gründete und erste Bühnenerfahrung sammelte. Alle anderen Mitglieder der Gruppe sind ebenfalls schon gestorben, was Springsteen zum einzigen lebenden Gründungsmitglied der Castiles macht. Die Beziehung zu Theiss und seine Gedanken zum eigenen Tod hört man in einigen Nummern des Albums, ganz deutlich aber in Last Man Standing.

Im Opener One Minute You’re Here lässt er alle engen verstorbenen Freunde hochleben und gibt auch zu, dass er sich des Öfteren allein In Ghosts gibt Springsteen Einblick auf die Besuche, die er regelmäßig von ihnen bekommt. It’s just your ghost / Moving through the night / Spirit filled with light / I need, need you by my side / Your love and I’m Alive, I can feel the blood shiver in my bones / I’m alive and I’m out here on my own / I’m alive and I’m coming home.

Bei I’ll See You In My Dreams hält sich der dargebotene Song auch an den Titel. Ein schöner Closer, der den Kreis zum Opener One Minute You’re Here schließt. Er selbst fühlt sich mit 71 Jahren noch lebendig, die Momente in denen er über den eigenen Tod nachdenkt häufen sich aber. Ein lebensbejahender, textlich spiritueller Song, der ihn vor allem mit Livepublikum mit ordentlich Adrenalin vollpumpen wird.

Zum Glück recycelt

Letters To You ist aber keine Platte, die sich nur dem Tod verschrieben hat. Beziehungen und die Lebenserfahrungen, die er mittlerweile gesammelt hat, finden ebenfalls Platz. Springsteen veröffentlichte mit Janey Needs A Shooter, If I Was A Priest und Song For Orphans drei Songs, die schon jahrzehntelang in einer Schublade lagen. Für Letter To You nahm er die Stücke erstmals auf und man kann sich nur bedanken, dass er einige Tage in seinem eigenen Archiv verbracht und die Lieder gefunden hat. Echter Springsteen-Sound, die E-Street Band in Hochform.

Das gesamte Album wurde in nur fünf Tagen aufgenommen, roh und wie gemacht für künftige Liveauftritte. Der Sound wird nicht neu erfunden – im Gegenteil, man scheint sich bewusst wieder dem Sound der 70er Jahre verschrieben zu haben.

Letter To You lässt die Sehnsucht nach Livemusik deutlich steigen. Springsteens Energie wird auch über die Platte auf den Hörer übertragen und man kann es kaum erwarten, dreieinhalb Stunden den Altrockern live zuzuhören. Bis dahin müssen wir uns noch gedulden, mit dem neuen Album hat man fantastischen neuen Stoff geliefert bekommen. Zeit die Texte auswendig zu lernen bleibt ebenfalls noch genug. Mit anderen Worten: Eine der besten Platten des Jahres.

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