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Nas – King’s Disease II

© Mass Appeal

Ich gehör ja zu der Gattung Mensch, der immer noch extrem gehyped ist, wenn Nas ein neues Album ankündigt. Auch wenn die Gefahr der Enttäuschung gegeben ist – immerhin hält sich Nas in der Regel an die angegebenen Release-Dates (Kanye). King’s Disease II kam aus dem nichts und als Nachfolger des bei den diesjährigen Grammys als bestes Rap-Album prämierten King’s Disease I. Auch wenn die Auszeichnung schön für Nas ist – immerhin war es sein erster Grammy – war King’s Disease I maximal solide. Kann er sich also beim zweiten Teil steigern?

Als Nas die Tracklist veröffentlichte, ging ein Raunen durch die Foren des Internets. Eminem und Ms. Lauryn Hill schienen namentlich auf, da konnten selbst die größten Kritiker ihre Vorfreude nicht verbergen. Wie schon beim vergangenen Alben arbeitete Nas ausschließlich mit Hit-Boy zusammen, der in der dritten Dekade der langen Karriere des Rappers zum Primo vergangener Tage mutiert. Die Chemie zwischen Künstler und Produzent passt wie die Faust aufs Auge, Hit-Boy weiß, was Nas braucht um über sich selbst hinauszuwachsen.

Das Rapgame 2021 hört vor allem auf ein Wort: hungrig. Schon die Performance auf den neusten Werken von J. Cole oder Tyler, The Creator wurde damit beschrieben, teilweise zurecht, teilweise weil es gut und einfach klingt, einem Album dieses Wort umzuhängen. Bei Nas darf man das aber tatsächlich ohne schlechten Gewissens droppen.

Schon der Opener „The Pressure“ gibt einen Vorgeschmack auf die folgende knappe Stunde. Ein minimalistischer Start der sich aufbaut, einen kompletten Cut macht und einfach nur darauf aufmerksam machen will, dass King’s Disease II kein schnell dahergerotztes Album sein wird. Glasklares Writing von Nas, das im folgenden „Death Row East“ fortgeführt wird. Dort erzählt er von der „legendären“ vor allem aber tragischen Auseinandersetzung der East- und Westcoast-Rapper in den 90er Jahren die mit den frühen Morden an Tupac Shakur und Notorious BIG ihren grausamen Höhepunkt fand. Nas schreibt die Geschichte nicht neu oder bringt großartige neue Details ans Licht, liefert aber sein bestes Storytelling ab.

40 Side hat Adlibs von Future und einen Trap-beat dabei, den Nas auch bezwingen kann. Dann EPMD 2, der ersehnte Eminem-Track. Es ist tatsächlich die erste veröffentlichte Kollaboration der beiden Schwergewichte, dabei sind natürlich auch EPMD. Und die liefern richtig ab, wie auch Nas. Ganz straight auf den fantastisch minimalistisch, harten Beat. Ein wirklich guter Song – bis Eminem kommt, dessen Strophe im großen und ganzen ziemlich enttäuscht. Wir wissen mittlerweile, dass Eminem vier Milliarden Worte spitten und seinen Rhythmus ändern kann – aber es passt hier einfach nicht. Da geht’s um den Weihnachtsmann und andere Belanglosigkeiten. Erst als er die Shoutouts an alle jüngst Verstorbenen droppt wird die Strophe besser. Der Beat unterstützt ihn allerdings auch sehr, er wird fast davon gerettet.

Die erste Single von King’s Disease Rare erinnert mich im ersten Teil von seinem Beat und seinem Flow an J. Cole – wobei, da Nas schon gerappt hat, als Cole noch irgendwo in Carolina herumgehüpft ist, zählt der Vergleich vermutlich nicht ganz. Jedenfalls ein wenig mehr Jazz, ein richtig geiler Switch in der Mitte des Tracks mit dem Potential zu einem Favoriten des Albums zu werden.

Ja gut, natürlich versucht Nas auch beim jüngeren Publikum zu fischen. A Boogie Wit da Hoodie und YG kommen da nicht ungelegen. Ist sicherlich Lieblingstrack, durch den Beat mit seinen Boom Bap drums und dem massiven Bass samt diesen schrillen einwürfen ingesamt solide. Alle drei liefern das ab, was sie können.

Manchmal will man sich in einen Song hineinlegen, sich im Beat wälzen, sich in den Samples verlieren. So verhält es sich mit Store Run. Hier passt alles, absolut keine Schwächen, absolut perfekt. Vermutlich einer der besten Tracks in der gesamten Diskografie von Nas – und das obwohl er U2-Frontman Bono namedroppt. Selbiges kann man auch über Moments sagen, quasi eine Fortsetzung von Memory Lane – nur anders, aber von seiner Wucht und seinem Beat ebenfalls in der Liga der besten Nas-Tracks ever anzusiedeln. Wenns ein wenig jazziger, oldschool-lastiger wird, kann man ihm einfach nur sehr schwer das Wasser reichen.

Persönlich raste ich aus, wenn ich irgendwo den Namen Ms. Lauryn Hill lese. Und wie vermutlich alle anderen auch, habe ich mit einer stimmgewaltigen Hook gerechnet, um die herum Nas seine Geschichte erzählt. Tatsächlich haben wir was ganz anderes bekommen – was noch besseres: Eine rappende Ms. Lauryn Hill, die auch gleichzeitig alle Kritiker outcalled, die sich darüber beschweren, dass sie immer zu spät oder zu kurz zu ihren Auftritten erscheint. Die Kritik ist berechtigt, wenn Lauryn aber mit solchen Lyrics und solch einem Vortrag erscheint, kann man ihr nicht böse sein. Das beste Feature des Albums gehört ihr. 1996 haben Nas und Hill mit If I Ruled the World schon einmal die Rap-Welt mit einem Klassiker bereichert, Nobody hat ebenfalls das Potential dazu. Massive 90s Vibes im Jahr 2021 – muss man lieben.

Charlie Wilson ist sowas wie der liebe Onkel den man sich aufs Album einlädt um noch die letzte Ecke Soul anzukratzen. Da weiß man was man bekommt, hier auf No Phony Love eine „Ballade“, die man entweder sofort feiert, weil man Wilsons Beiträge mag oder der man ein wenig Zeit geben muss, um schlussendlich zum selben Ergebnis zu kommen. Funktioniert wirklich gut. Hit-Boy kann man nicht vorwerfen, dass Brunch on Sundays maximal durchschnittlich ist. Zusammen mit Blast bringt Nas seine beste – und damit meine ich entbehrlichste – Version des Dad-Raps hervor. Sunday Funday? Come on.

Dafür kann man im folgenden Count Me In wieder instant mit dem Kopf nicken. Nas findet seine Stärken schnell wieder und das tut nach Brunch on Sundays wirklich gut. Auf Composure rappt Hit-Boy mit, er bekommt einen 18er und macht seine Sache überraschend ok. Klar neben Nas muss man erst bestehen können, aber er Produzent macht das echt ok. Und ein weiterer Beat den man einfach nur umarmen will. Jazz-Bläser, Klavier, paar neue Elemente. In My Bible bekommen wir noch mal einen anderen Beat, etwas härter, was aber nicht schlecht tut bis das Album in Nas is Good mit einem perfekten Closer schließt. Wie schon in Moments und Store Run passt hier absolut alles, Nas ist messerscharf, fasst quasi noch das ein oder andere vom ersten King’s Disease auf und zusammen und schließt damit dieses 52-minütige Hörvergnügen.

Zur großen Überraschung wurden meine kühnsten Träume wahr: Endlich wieder ein gutes Nas-Album. Und gut bedeutet im Zusammenhang mit King’s Disease II sehr gut, fast perfekt. Nur einmal haut Nas daneben, dieses Brunch on Sunday-Ding ist eben nicht mehr als durchschnittlich. Der Teil von Eminem auf EPMD 2 ebenfalls eher bitter als bereichernd, dafür eine Ms. Lauryn Hill, die bitte endlich selbst mal ein Album rausbringen soll.

King’s Disease II ist sicherlich das beste Nas-Album seit Life is Good und generell in den Top5 der 13 bisher erschienen Langspieler zu finden. Ein Album, das seiner Karriere sehr gut tut und auch beweist, dass er in drei Jahrzehnten mindestens eine hervorragende Platte rausbringen kann. Er kann es immer noch – vor allem wenn er einen Produzenten findet, der weiß, wie man alles aus Nas rausholen kann. Hit-Boy kann man deshalb nicht genug danken.

Das ist kein Konzept-Album, das ist aber auch nicht altbacken. Es ist einfach Nas, wie ich ihn liebe. Erst neulich habe ich das neue Album von Dave als bestes Rap-Album des Jahres bezeichnet. Dieses Prädikat muss er sich jetzt mit Nas teilen.

4,5/5 Pandroids

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