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RIN – KLEINSTADT

© Division Recordings

Es gibt nur wenige Rapper, die im deutschsprachigen Raum allgemeine Sympathien genießen. Sido sei natürlich als Erster genannt, bei der nachfolgenden Generation scheint Rin diesen Platz einnehmen zu können. Der 27-Jährige will Rap neu denken oder zumindest die Trends der USA nach Deutschland transferieren. Auf seinem dritten Studioalbum Kleinstadt wartet also weit mehr als nur einfacher Deutschrap.

BACKGROUND

Den Album-Titel wählte Rin nicht zufällig: Kleinstadt als Beschreibung für seinen Geburtsort Bietigheim-Bissingen, in dem er noch heute lebt. Der deutsche Rapper mit Wurzeln aus Kroatien und Bosnien konnte sich seit seinem kometenhaften Aufstieg im Jahr 2016 an der Spitze der nächsten Riege an Cloud- und Deutschrappen festsetzen und fällt im Pulk der Enos und Meros durch seine Gabe unbändige Hooks zu schreiben auf. Sturen oder klassischen HipHop sucht man bei Rin vergeblich, sein Sound springt zwischen den Genres hin und her, landet am Ende aber vermutlich am häufigsten irgendwo in einer Pop-Ecke. Kleinstadt ist für Rin das wichtigste Album – was von Künstler:innen in der Promophase schnell und gerne gesagt wird. Die Produktion übernahm Alexis Troy, achtzehn Songs schafften den Cut und bilden das 46-minütige Werk.

REVIEW

Sehr ruhig und gelassen beginnt Kleinstadt: Alexis Troy legt einen entspannten Beat für Rin auf, der auf Yugo tatsächlich viel rappt und nur zur Hook in den Gesang switcht. Auch die sonst üblichen Einwörter-Einwürfe fallen weg, er flowt für seine Verhältnisse gut durch. Rin ist nicht der größte Rapper, kann aber kleine Defizite immer durch ein fantastisches Gespür für Atmosphäre und Ohrwürmer kaschieren. Yugo zeigt mit einem der besseren Texte dieses Albums auf.

Wie schnell er zwischen Genres switchen kann, hört man gleich im zweiten Track Meer. Hier erinnert das Instrumental zunächst wieder mal an HIM und Join Me In Death, nur um dann doch noch in eine andere Richtung abzubiegen. Einige bezeichnen den Track als Grunge, was man durchgehen lassen kann – Rin jedenfalls singt hier, Alexis Troy macht alles, um ihm Platz für Experimente zu geben. Viel bleibt schlussendlich nicht von diesem Ausflug übrig.

Also wieder zurück zum Trap-Beat. Rin hat Selbstvertrauen, auf Eye Of The Tiger begibt er sich in Höhen, denen er nicht gewachsen ist. Zwischendrin trifft er schon den ein oder anderen Ton, insgesamt fühlt sich der Song aber falsch an. Das Vorbild von Travis Scott kann nur schwer geleugnet werden, die vielen Stimmverzerrer können aber eben nicht alles wettmachen. Oft ertappt man sich nach einem Song bei der Frage, was Rin uns mit seinen Texten sagen will. Money, money macht die Geldzählmaschine aus Swiffer ist da zumindest unmissverständlich. Ein netter Song, der von vorne bis hinten keinerlei Steigerung bietet. Aus dem Instrumental könnte man einiges machen, Rin wählt hier aber den einfachsten Weg und ruht sich auf seinen bekannten Mustern aus.

Die Vorabsingles dieses Albums konnten allesamt durch unglaubliche Eingängigkeit überzeugen. Apple bildet keine Ausnahme, die Hook bohrt sich ins Gehirn und verfolgt Hörer:innen einige Stunden. Rin in Paradeform, ob man es mag oder nicht, genau wegen solch einfachen Liedchen, steht er da, wo er steht. Was er in den Strophen von sich gibt? Egal, am Ende bleibt Ein Brandloch in dein Denim. Wir verlassen das seichte Ufer relativ schnell wieder und wollen in 5 Star Stunna wieder ein wenig Härte generieren. Der Song hätte das Zeug zum Banger, entfaltet aber leider einmal mehr nicht sein gesamtes Potential. Zu schnell sind die zwei Minuten vergangen, gerade als man sich mit dem Sound und Konzept anfreunden hätte können.

Zusammen mit Schmyt singt sich Rin durch Athen. Wieder schrammt er knapp am unerträglichen Gesang vorbei, irgendwer sollte ihm einmal sagen, dass er auch tiefer singen könnte. Warum deutsche Rapper plötzlich den Künstler Monet für sich entdeckt haben und ihn in gefühlt jedem dritten Song namedroppen müssen, bleibt ein weiteres Rätsel. Alexis Troy wieder mit einem starken Beat, Rin will aber einfach nicht in die Gänge kommen. Leider. San Andreas wird bei langjährigen GTA-Fans natürlich nostalgische Gefühle auslösen können und auch sonst als Vorabsingle glänzen. Wenn das mein Ende ist / Wo bleibt das Paradies? Ein Lied, das zeigt, wie es klingen kann, wenn Rin sein ganzes Potential abruft. Da kommt er dann leichtfüßig durch die Rapstrophe und noch leichter durch den Gesangspart im Refrain. Über den Text dürfen wir uns immer noch nicht zu viele Gedanken machen.

ADHS stellt einen Song dar, den man auf diesem Album schon einmal gehört hat. Die Tracks unterscheiden sich von Rins Vortrag teilweise zu marginal, nur die herausragende Produktion von Alexis Troy sticht hervor. Dafür kratzt Rin zum Glück schnell wieder die Kurve – Money On My Mind darf man als einen der besten Songs der Platte ansehen. Banger-Beat, Rin kommt damit gut klar und verzichtet auf jeglichen Gesang. Diese 1:53 Minuten hätten länger dauern können, Rin trifft jeden Punkt.

Auf Sado erklärt er sich zum Träger des deutschen Rapgames, aber immerhin hat er recht, wenn er sagt, dass es giftig wird, wenn Alexis in der Küche steht. Ehrlich gesagt steht ihm diese Großkotzigkeit wenig, dafür ist er textlich als auch technisch einfach zu limitiert. Zum geheimen Sommerhit mutierte Insomnia, das er zusammen mit den Giant Rooks aufnahm. Für Fans der Künstler eine fantastische Kollaboration, sicherlich auch seicht mitreißend und wieder mal ins Ohr brennend. Kurz gesagt: Ein Guilty Pleasure.

Spätestens für Douglas sollte man Alexis einen Produktionsorden geben, wieder zaubert er einen ganz feinen Beat hervor. Schmyt schaut wieder vorbei und singt, wie man es Anfang der 2000er in Deutschrap-RnB-Features gemacht hat. Bisschen unangenehm im Jahr 2021, wieder hat man das Gefühl, dass nicht das gesamte Potential abgerufen wurde. Dirty South überzeugt durchgängig, vom Beat über Rins Flow sowie den eingesetzten Vocal-Samples. Einer der wenigen echten Banger.

FYM zeigt seinen Flow, dennoch verliert er sich einmal mehr im Versuch die richtige Intonation zu finden oder gar zu treffen. Dafür gibt’s einen richtig feinen Beatwechsel, was den Track nicht nur rettet, sondern sogar noch ins vordere Feld der Lieder von Kleinstadt spült. Ein wenig Rave darf’s dann in 1976 auch noch sein. Fantastischer Beat auf den Rins verzerrter Gesang perfekt passt.

Gegen Ende kommt es noch mal zum Genrewechsel, wir wechseln vom Rave zum Indie-Pop in Rot. Rin hält das hohe Niveau der Schlussnummern aufrecht und kann hier – ganz ohne Sprechgesang – eine sehr radiotaugliche Nummer aufweisen, die durch ihre Schlichtheit besticht. Geschlossen wird Kleinstadt mit Mrznja, einem autobiografischen Text auf einem Beat-Sample von 2Pacs All Eyez On Me. Ein würdiger Schluss eines Albums, das vor allem zum Ende hin seine Stärken ausspielt.

FAZIT

Richtig glücklich kann man mit Kleinstadt nicht werden. Zu viele Skizzen und zu wenig Vollendetes findet sich auf dem Album. Das Ende rettet noch einiges, kann den dürftigen Start aber nicht komplett vergessen machen. Held der Platte ist Produzent Alexis Troy, dessen Beats ständig am Punkt sind. Rin hingegen lässt seinen Hunger immer wieder aufblitzen, verliert sich aber gerne im Drang in keine Schublade passen zu müssen. Deshalb stechen nur wenige Nummern kräftig hervor. Durchschnittlich mit dem Hinweis, dass mehr möglich gewesen wäre.

2,5/5 Pandroids

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