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STARSKY & HASCH (CAF) – KUSCHELRAP 89

Gruppen oder Künstler:innen mit drei Buchstaben liefern in der Regel eigentlich immer ab. Sei es K.I.Z, M.I.A. oder H.E.R ­– da kommt meistens was Gutes raus. Die Innsbrucker Rap-Combo CAF aka Starsky & Hasch aka Johnny Messer & Sergio Cojones kann den jüngsten Beweis unserer drei Buchstaben-These erfüllen. Mit ihrem neuen Album Kuschelrap 89 bringen sie den Untergrund dorthin wo er im Grunde genommen nicht hingehört – an die Spitze der Szene.

BACKGROUND

Seit gut einem Jahrzehnt treten Johnny Messer und Sergio Cojones als CAF in Erscheinung und etablierten sich im Laufe der Jahre zu einem der heißesten Underground-Tips der österreichischen Rapszene. Die Jahre vergingen, der große Durchbruch wollte nicht gelingen, die Leidenschaft an Rap blieb aber trotzdem. Johnny Messer veröffentlichte im Vorjahr sein starkes Debütalbum Vorstadtcasanova, jetzt wird mit Kuschelrap 89 wieder im Duo angegriffen. Tatkräftige Unterstützung erhalten sie dabei von Produzent Hoes’n’Pza, der nicht nur für sämtliche Beats sorgte, sondern auch das komplette Mixing übernahm. Ursprünglich plante die Combo nur einen Comeback-Track aufzunehmen, nachdem der Schreibprozess aber mit Leichtigkeit von der Hand ging, kam am Ende ein neun Track umfassendes, halbstündiges Album heraus. Wie gewohnt wird jede erdenkliche politische Unkorrektheit in den Mittelpunkt gestellt und dem ein oder anderen musikalischen Vorbild indirekt Tribut gezollt.

REVIEW

Schon von der ersten Sekunde an, weiß man in welche Richtung Kuschelrap 89 gehen will: Direkt nach vorne, direkt in die Fresse. Ein kleiner Recap des bisherigen Schaffens samt ordentlichem Lifestyle-Geflexe eröffnet das Album. Hoes’N’PZA schlägt mit einem ordentlich feinen Beat auf, Johnny und Sergio stimmen in der Hook zum Hype-Chor an und fallen in ihren Strophen mit durchaus amüsant-derben Lines auf: Mal dir Pimmel auf die Stirn, ich bin Bankys Vater oder Jedes Geschlecht macht etwas am besten / Ich Saufen und Rappen meine Frau Mitagessen. Ja, wir befinden uns im Battlerap, wo die Grenzen zwischen Erlaubten und Verpönten fließend ineinander gehen. Wenn man am Opener irgendwas kritisieren will, dann wohl den Namedrop von Ivica Vastic, der sich zwar im Reimschema der Hook und auch thematisch anbietet, allerdings aus Innsbrucker Sicht fast ein NoGo darstellt (Legenden von Sturm Graz so zu feiern…muss man mögen). Wer nach dem ersten Track noch nicht gehyped und an Bord ist, wird es spätestens nach Es Wird Nicht Mehr Geredet sein.

Ein Banger, ein Kopfnicker, ein Track dessen Aggression durch den Körper zieht und guttut. Ja, wohltuend weil alles perfekt zusammenstimmt. CAF-Gang beste Crew in IBK – was HipHop anbelangt kann man das definitiv unterstützen. Sergio droppt ganz nebenbei eine der wohl brutalsten Lines die Deutschrap in den vergangenen Jahren erleben hat dürfen: Ich bete zu Allah, dass er meine Kugel lenkt / wenn ich in die Menge baller im Tod wartet Vallhalla. K.I.Z wäre extrem stolz. Prinzipiell hört man natürlich die Einflüsse der Berliner Urväter des inkorrekten Raps an allen Stellen, aber auch jene von Huss’n’Hodn.

Der einzige Vorbote zum Album Eisenstange wartet mit einem ultrasmoohen Beat auf – wie alles andere was Hoes’n’PZA hier fabrizierte ­– und einer Hook die vor allem Fans der Detroit Lions (also mich) sehr glücklich macht: Breche mit Eisenstange deine Kniescheibe / Dein Rap ist wie Dünger, wie Scheiße. Man ist jetzt gute fünf Minuten im Album drin und dementsprechend auch im Nackenmuskulatur-Training. Oldschool vom Feinsten, man fühlt sich zurückversetzt in die frühen 00er-Jahre, wo Rap durchgängig so klang und die Cloud-Kiddies gerade geboren wurden.

Das Intro zu Egal wird vielleicht nicht jeder außerhalb des alpenländischen Raums verstehen, diejenigen die der Tiroler-Sprache aber mächtig sind, werden es zu Schätzen wissen. Egal ist layback und der Titel wörtlich zu nehmen: Die Hook ist schräg, was an den ausbaufähigen Gesangskünsten der Rapper liegt, gleichzeitig, aber auch real. Retrogott und Hulk Hodn wären stolz. Johnny Messer rappt Bin am Weg zum Urologen weil ich fühl mich wie Glumanda.

Es beginnt ganz ruhig, ganz entspannt und eskaliert in der Hook dann komplett: Und ich weiß warum Hitler mich mag / hol mir die stärksten Tschigg aus dem Tschiggautomat / Und ich frag meinen Homie Josef Stalin / Und er meint hey Genosse du bist voll der Wahnsinn. Am Ende noch ein kurzes Sample von Bushidos Berlin und fertig ist der nächste Banger (H!tler). Flow, Text, Beat, Produktion – alles stimmt.

Sido und B-Tight haben ihre Karriere bekanntlich im Schrank gestartet und auf Beats der hauseigenen Playstation gerappt. Bei Johnny Messer und Sergio Cojones kommt diese Stimmung auch auf: Dieser Hunger, diese Scheißdrauf-Attitüde, mit dem einzigen Unterschied, dass sie mit Hoes’n’PZA einen Fachmann zur Seite haben, der keine billigen Beats baut. Bierdosenknacken holt die genannten Retro-Stimmungen der Ursprünge des deutschen Gangsterraps ins Jahr 2022 und wird live zu Eskalationen führen.

Viel unkorrekter als auf GHB werden sie auf Kuschelrap 89 nicht. Macht aber nichts, ist doch nur Rap – oder? Beat knallt um die Ohren, kommt mit ein paar feinen Kleinigkeiten zu Steigerungen während die beiden Rapper einfach durchrasieren. Der fünfminütige Track Narrentum bildet entgegen der Beschreibung nicht das Outro des Albums, dafür aber etwas andere Facetten: Über eine Minute darf sich der Beat entwickeln bis Johnny und Sergio einsetzen. Futuristisch reduziertes Instrumental, dem genug Raum zum Glänzen gegeben wird.

Kuschelrap 89 endet mit einem Knall: Ayran und K0K5. Ein Outro, dass K.I.Z nicht besser schreiben hätte können. Ein Techno-Banger vom Herren, dessen Inhalt man nicht immer unterstützen muss (aus irgendeinem Grund wollen Johnny und Sergio keinen Kebap zum Ayran). Dafür wird die herrliche Frage gestellt: Ist das noch Hip Hop oder schon die Realität? Beides.

FAZIT

Wer auf Battlerap steht, wird an diesem Album nicht vorbeikommen. Wer K.I.Z verehrt, aber das neue Zeug von ihnen nicht feiern kann, weil doch zu viel gesungen wird, wird an diesesm Album nicht vorbeikommen. Wer was freshes hören will und sich trotzdem an die Anfangsphase des deutschen Battleraps erinnert wissen will, wird an diesem Album nicht herumkommen. Wer auf Deutschrap steht, wird an diesem Album nicht herumkommen. Im ernst und ohne Hometown-Bias: Kuschelrap 89 ist alles was ich mir gewünscht habe, ohne es zu wissen. In die Fresse-Rap ohne Schamgefühl und Rücksicht. Ein fantastisches Album mit dem Zeug zum Klassiker.

9,3/10

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