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KATJA KRASAVICE – PUSSY POWER

© Warner Music Germany

Wenn man Katja Krasavice mit einer Sache triggern kann, dann mit jener sie immer noch als YouTuberin und nicht als Musikerin zu bezeichnen. Warum sie sich den Ruf als Künstlerin verdient hat, gibt’s in der Review.

BACKGROUND

Katja Krasavice ist gefühlt überall – zumindest wenn man auf den gängigen Social Media-Plattformen unterwegs ist, wird man mit ihr schon einmal in Berührung gekommen sein. Was als freizügiger YouTube-Kanal begann, entwickelte sich in den vergangenen Jahren zu einem Universum: Katja macht Musik, ist erfolgreiche Geschäftsfrau – nicht nur, aber auch, weil sie weiß, wie sie mit ihren Reizen spielen kann. Sie auf ihr Äußeres zu reduzieren und sie als blonde Dumpfbacke zu bezeichnen, wäre ein fataler Fehler: Bestseller-Autorin, Chartstürmerin – sind nur zwei Bezeichnungen, die sie sich mittlerweile in den Lebenslauf schreiben darf.

Natürlich war die Sache mit der Musik zu Beginn durchaus kontrovers. Als im November 2017 ihre Debütsingle Doggy auf den Markt kam, glaubte man eher an eine Ballermann-Karriere denn ernstgemeinter Leidenschaft. Aber – sie hat an sich gearbeitet und seit 2020 am Beginn jeden Jahres ein Album herausgebracht: Sowohl Boss Bitch (2020) als auch Eure Mami (2021) gingen auf Platz 1 in den deutschen Albumcharts. Vergangenes Jahr erreichte sie zudem mit der Single Highway erstmals und wenig später mit Pussy Power sowie Raindrops die Spitze der Singlecharts. Der wohl größte Coup in ihrer bisherigen Karriere dürfte wohl das Feature Million Dollar A$$ mit Fler darstellen. Wenn ein Pionier des deutschen Gangsterrap zusammen mit Katja einen Track aufnimmt, dann muss sie doch endlich einen Stellenwert als Musikerin genießen?! Das kann man so argumentieren.

Wo Katja ist, sind Skandale nicht weit. Als sie im September 2021 mit Pussy Power auf Platz 1 der Charts stand, machte sich Kritik breit. Katjas Musik würde nicht häufig genug gestreamt werden, sondern würde sie viel mehr vom Verkauf von limitierten Fan-Bundles profitieren. Guess What: Auch die zählen zu den Verkaufszahlen. Katja genießt eine äußerst treue Fanbase, die jeden Drop zu jeder Single restlos zusammenkaufen – was Katja natürlich auch ordentlich Geld in die Kassa spült. Selbiges gilt für die limitierten Album-Boxen, die – so viel Anerkennung muss auch sein – bei Katja tatsächlich einen (sexuellen) Mehrwert bieten. Da liegt schon mal ein Vibrator oder ein Flashlight neben der CD. Sie weiß einfach, wie sie Geld macht.

Weil wir über Fler gesprochen haben: Der fällt ja durch seine – vorsichtig ausgedrückt – sehr derben, frauenfeindlichen Texte auf. Katja hatte kein Problem damit, mit ihm ein Feature aufzunehmen. Als sie vor wenigen Wochen die Tracklist zu Pussy Power veröffentlichte, war der Aufschrei in ihrer Community riesengroß, weil sich darauf auch ein Song mit der Rapperin Haiyti befand. Diese hat in einem (älteren) Podcast erklärt, warum es für sie ok ist, die Bezeichnung „schwul“ als Kraftausdruck zu verwenden. Das hat wiederum Ex-SXTN-Mitglied Nura massiv aufgeregt und ein Shitstorm Richtung Haiyti folgte. Katja nahm infolgedessen den Track herunter und verschob das Album nach hinten. Homophobie habe in Katjas „Welt nichts verloren“.

Aber gut, Pussy Power ist jetzt da, besteht aus 14 Tracks und dauert 36 Minuten. Produziert wurde die Platte hauptsächlich von Aside sowie Rocks und Avo. Als hauptsächliche Textschreiberin wird Katja genannt, was insofern bemerkenswert ist, da fast alle anderen Künstler:innen mit ähnlichem Werdegang auf die Dienste des ein oder anderen großen Songschreiber zurückgreifen. Katja bietet Rap, RnB und Pop an.

REVIEW

Um was soll es sich bei einem Werk drehen, das auf den Namen Pussy Power hört? Richtig, um Geschichten von früher. Um die Aufarbeitung der Kindheit, um die Skizzierung des bisherigen Werdegangs. Ein übliches Mittel im Rap-Genre. Im Gegensatz zu Shirin Davin, die mit Bramfeld Storys ihr Album abschloss, startet Katja mit ihrer Aufarbeitungsgeschichte in die Platte hinein. Intro ist mit 3:25 Minuten nicht nur der längste Track von Pussy Power sondern auch der persönlichste. Sie erzählt, wie sie aufwuchs, wie kaputt das Verhältnis zu ihrem Vater ist und wie es mit ihrer Karriere losging. Nicht jeder Reim sitzt, den Flow darf man aber getrost als grundsolide betiteln. Intro ist kein Bramfeld Storys – muss es aber auch nicht sein, Katja ist schließlich nicht Shirin. Der reduzierte Beat unterstützt Katjas Vortrag und eigentlich muss man schon nach diesem Track folgende Schlussfolgerung anbringen: Der Weg, den sie von Doggy zu Intro gegangen ist, kann sich sehen lassen. Da gibt’s Storytelling, da will man wirklich was erzählen, da hat man das Gefühl, dass sie es ernst meint.

Von ihrer Weiterentwicklung kann man sich dann gleich in Moonlight weiter überzeugen. Katja wurde zu einer passablen Sängerin. Klar hilft ihr die Produktion, aber es wäre unfair nur diverse Software dafür verantwortlich zu machen, dass Moonlight wie ein anständiger Pop-Song klingt. Im Refrain übertreibt sie es – für meinen Geschmack ­– mit dem Vibrato, was aber nicht weiter stören soll. Textlich bewegen wir uns zwischen aufmerksam machen über die üble Vergangenheit (Komm von da wo die Sonne nie scheint), den Umgang mit Hatern, kleine, aber heftige persönliche Anekdoten (wie etwa das Erwähnen ihrer beiden verstorbenen Brüder) und der Tatsache, dass sie es jetzt geschafft hat.

Diese persönliche Eingangsphase des Albums findet ein jehes Ende, wenn SOS beginnt. Die Zeit des Flexens hat begonnen. Wer wenn nicht Katja darf flexen?! Der Bass dröhnt heftiger, Katja gönnt sich einen Trap-Track. Wirklich funktionieren will die aggressive Hook nicht. Vermutlich wollte Katja einen Song a la Shirin oder Badmomzjay machen, leider fehlt es ihr aber noch am nötigen Hunger oder dem nötigen Nachdruck, um voll abliefern zu können. Der Wille zählt, viel mehr Netteres kann man aber nicht mehr sagen.

Natürlich muss es auch expliziter werden, wir reden hier immerhin von Katja Krasavice. Auf Pussy Power bläst sie ins selbe Horn wie die absoluten Genregrößen Cardi B oder Megan Thee Stallion – und versucht sich im Schreiben einer sexuell freien, feministischen Hymne. Man wird ein wenig brauchen, um diesen Track feiern zu können. Grundsolides Handwerk von Katja als auch Aside.

Ich hab einen roten Benz, dank Onlyfans! Wer Katja hüllenlos sehen möchte, sollte sich diesen Song anhören – sie gibt eine genaue Anleitung was man dafür tun muss. Spoiler: ihren Onlyfans-Account abonnieren. Ja, Geschäftsfrau ist sie durch und durch. Das kaschiert diesen dürftigen, teilweise nervtötenden, Track aber leider nicht. Textlich schwer verdaulich, ist auch die Melodie eher Kategorie Kindergarten. Hat Onlyfans das Zeug zum Guilty-Pleasure? Ja. Geben wir das zu? Nach dem vierten Bier.

Der Mond hat es ihr angetan, nach Moonlight folgt Moonwalk. Wieder was Neues, diesmal wird mehr gesungen und in Richtung Club-Musik geschielt. Das steht ihr gar nicht übel. Text tut nicht weh, hat aber auch nicht die große Aussagekraft. Deutschpop wie er im Jahr 2022 eben klingt, anständiger Bass, paar Synthis und Gesangsmelodie, die sich schnell einbrennt.

Raindrops verwendet ein Sample der finnischen Gruppe Loituma und Katja holt sich Unterstützung der deutschen Sängerin Leony. Die beiden harmonieren gut, die Chartausbeute ist bekannt. Ein popiger Ohrwurm mit klassischer Spotify-Länge von 2:20 Minuten. Außerdem der erste Song Katjas, der auf eine englischsprachige Hook zurückgreift. Hier hatten einige Köpfe ihre Hände im Spiel und sie dürfen sich auch gegenseitig auf die Schulter klopfen. Raindrops stellt ein Highlight des Albums dar, was auch an der enormen Leichtigkeit des gesamten Vortrags zu tun hat.

Pussy Power zeigt Katja eben noch mehr als Sängerin, denn als Rapperin. Lipgloss vermeidet sämtlichen Rap, es wird nur gesungen. Der Ex-Freund wird es schon bereuen, dass er sie abgeschossen hat. Katja macht klar, dass es keine zweite Chance gibt. Eine wirklich grundsolide Pop-Nummer, ohne große Ausreißer nach oben oder unten. Definitiv radiotauglich, definitiv auch ein Lied, das Potential hat, auf TikTok viral zu gehen.

Wenn man es aber tatsächlich schaffen sollte, dass Katja Gefallen an einem gefunden hat, sollte man sich Details anhören. Hier erklärt sie wie ein One Night-Stand abzulaufen hat und was sie möchte (Denn du weißt, was ich will / Also mach mir kein Kind / Und verbring nur die Nacht mit mir). Kann man von einem Sex-Song sprechen? Sicher. Wirkt es platt? Nein, ganz anständiger RnB-Pop, der Katjas musikalische Stärken hervorhebt.

Narben bedeutet Katja enorm viel, handelt es sich hier doch um ein Feature mit ihrem besten Freund Marvin Balsters, der stimmlich auch überzeugen kann. Hier wollte man eine große Ballade erzeugen, eine, die wieder Jenen Mut machen soll, die sich ausgegrenzt oder anders fühlen. Das Problem an diesem Song: Die Theatralik. Es wird zu dick aufgetragen. Musikalisch alles voll ok, vom Piano über den Beat zum Vortrag von Katja und Marvin. Textlich ist mir das mit Glaub mir jeder, jeder sucht nur Fehler/ Doch der Fehler ist, keiner sucht ihn bei sich selbst aber einfach too much. Die generelle Aussage dieses Songs kann man natürlich trotzdem nur unterstützen.

Zu Aventador bleiben nicht viele Worte. Sowohl Aussage als auch Melodie hat man mittlerweile schon gehört. Tut nicht weh, stört nicht, dauert kurz (2:15 Minuten) hat aber auch keinen großen Mehrwert auf diesem Album.

Die Hook von Drop It gehört mit zum Spannendsten des gesamten Albums und auch der Beat kann sich hören lassen. Katjas Rap-Strophen hätten noch mehr Wumms, noch mehr Hunger vertragen, um diesen Track zum großen Highlight werden zu lassen. Einen kleinen Extrapunkt für den Mut und die Vielseitigkeit muss man ihr dennoch geben.

Für die Zukunft wünsch ich mir, dass sie Songs wie No Men No Cry länger als lächerliche 2:08 Minuten zieht. Hier passt fast alles zusammen, sowohl Flöten-Beat als auch No-fucks-given-attitude von Katja…Potential zum (Club)Banger. Man muss ihn einfach noch länger machen.

Zum Abschluss flext Katja sich noch mal an der Vordertür vorbei. Voll ok, wieder voll kurz (2:09 Minuten), wieder was, das nicht stört aber auch nicht mehr als das. Als Closer irgendwie unpassend, hört Pussy Power doch sehr plötzlich auf.

FAZIT

Dieses Album ist definitiv das Beste, das Katja Krasavice bisher aufgenommen hat. Sie zeigt sich vielseitig, rappt und singt und hat textlich keine ganz groben Böcke geschossen. Vergebens suchen wir aber nach einem roten Faden, der sich durch die Platte zieht. Weder flext sie ständig, noch spricht sie immer über ihre Vergangenheit oder über Persönliches. Das ist schade, war der Beginn doch eine erfreuliche Überraschung und das Ende sehr abrupt. Außerdem bleibt nur zu sagen: Katja ist keine YouTuberin, Katja ist Musikerin. Und Geschäftsfrau. Und bald auch dreifache Albumchartstürmerin. Der Weg stimmt, die Zukunft möge kommen.

6,1/10

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