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GUÈ – MADREPERLA

© Island Records; Universal Music Italia

Genre: Italienischer Rap

Italiens Rap-Großmeister übt sich auf seinem neunten Studioalbum im Klang vergangener Tage, dem neues Leben eingehaucht wird.

BACKGROUND

Seit 1997 ist Guè fester Bestandteil der italienischen Rap-Szene und dementsprechend auch ein Pionier. Der 42-Jährige war zu Beginn Teil der Gruppe Sacre Scuole (zusammen mit Jake La Furia und Darge D’Amico), ehe er sich in der Mitte der 00er Jahre mit ersten Mixtapes als Solo-Künstler versuchte. Sacre Scuole zerbrach, Guè gründete zusammen mit La Furia die Kombo Club Dogo, mit der er zwischen 2003 und 2014 insgesamt sieben Alben veröffentlichte.

Das erste Solo-Album erschien 2011 (Il ragazzo d’oro) und der Erfolg fand ziemlich schnell den Weg in Richtung des aus Mailand stammenden Künstlers: Ab dem dritten Album (Vero; 2015) platzierte sich jede Langspielplatte auf Platz eins der italienischen Charts. Guè stand in erster Linie für Gangsterrap und Trap – was den Zeitgeist optimal traf. Als Krösus der großen Mailänder Szene war er für zahlreiche Rapper nicht nur Vorbild, sondern auch aktiver Wegbereiter, um Fuß in der Branche fassen zu können. Fedez war beispielsweise der erste Rapper, der bei Guès Label Tanta Roba unterschrieb und veröffentlichte.

So viel zur sehr verknappten Biografie, jetzt soll es um das neunte Solo-Album von Guè gehen: Madreperla. Perlmutt. Guè will zurück zu den Wurzeln und gönnt sich auf diesem knapp 38-minütigem Werk eine ordentliche Portion Old-School Rap. Bassi Maestro, ein langjähriger Weggefährte, produzierte den Großteil der Scheibe, was sich in einem Hörenswerten – vielleicht auch erwartbar starken – Sound widerspiegelt. Guè selbst ist von seinem Album begeistert und nennt es sein bisher bestes Album.

Solche Aussagen sind in der Regel immer mit Vorsicht zu genießen, man kann aber schon den ein oder anderen Punkt finden, der für die These des Rappers spricht.

REVIEW

Dieses Album ist ein Sample-Feuerwerk. Guè macht keinen Hehl daraus, welche Künstler und welche Musik ihn im Laufe seines Lebens und seiner Karriere beeinflusst und geprägt haben. Hört man Mollami Pt.2, die Leadsingle des Albums, wird man sehr schnell Ini Kamozes Here Comes The Hotstepper erspähen. Bassi Maestro macht was Feines draus, während Guè ein bisschen flext, vor allem aber beweist, dass er mit jamaikanischen Klängen durchaus hantieren kann. Ein Party-Song im alten Kleid, mit neuem Muster.

Es müssen nicht unbedingt karibische Klänge sein, um es in den Sampling-Pool von Madreperla zu schaffen. Mi Hai Capito O No? verwendet den gleichnamigen Refrain des italienischen Künstlers Ron aus dem Jahr 1983, dessen Instrumental wiederum auf Daryl Hall & John Oates  I Can’t Go For That zurückgeht. Wieder ist es Bassi Maestro, der den Beat ein wenig streckt und mit ein paar Strings und Drums auflädt. Man fühlt sich ein bisschen wie in Miami oder zumindest an GTA: Vice City erinnert. Es glitzert, es funkt, wir sind in der Disco.

Auf Chiudi Gli Occhi wird Tiromancinos Amore Impossibile gesampelt. Guè lässt Dub-Sound entstehen und zeigt sich von seiner weicheren, romantischen, verletzlichen Seite. Hier stimmt Text und Sound – wie so oft – sehr gut zusammen. Im Dancehall/Reggae kann der Veteran jedenfalls leicht bestehen.

Wirklich allein wollte Guè dieses Album nicht bestreiten. Die Gästeliste ist voll, hauptsächlich mit großen Namen gefüllt. Sfera Ebbasta und Anna unterstützen ihn auf Cookies N‘ Cream, einer Hommage an die Club-Hits der 00er, der – wenig überraschend – aktuell die Single-Charts Italiens anführt. Cookies N‘ Cream wird Italiens TikTok-Welt längere Zeit beherrschen und auch auf sämtlichen Rollern und anderen Gefährten in den Innenstädten geballert werden. Anna und Sfera machen ihre Sache gewohnt abgebrüht, wodurch ein modernes Rap-Triumvirat entsteht, dass nicht anders kann, als zu dominieren.

Mit Marracash verbindet Guè eine langjährige Freundschaft und auch mit Rkomi hat er sich schon des Öfteren im Studio getroffen. Die drei tun sich für Free zusammen und besprechen zahlreiche zeitgenössische gesellschaftlich-relevante Themen, wie die Black Lives Matter-Bewegung oder etwa Bodyshaming. Schöne Beatwechsel, spannend vorgetragen, sehr gelungene Lyrics.

ESC-Dauerkandidat Mahmood darf ebenfalls als Zögling Guès betrachtet werden. Der Sänger steuert den Refrain zu Lontano Dai Guai bei. Irrsinnig weich, verträumt, entspannt aber auch funky, wird dieser Track zu einem echten Seelenstriptease von Guè. Die beiden Künstler harmonieren hervorragend und Guè beweist, dass er nicht einen einzigen Ton singen muss, um Gefühle erzeugen zu können.

Ein internationaler Gast darf nicht fehlen: Benny the Butcher. Da 1k In Su wird dementsprechend zur Gangsterrap-Nummer. Düsterer und vom Stil auch deutlich anders. Die italienische Rapszene wird ziemlich ironisch und scharf angegangen – Benny passt perfekt auf den Beat. Ein Banger. Need U 2Nite zusammen mit Massimo Garanzia muss sich auch nicht verstecken, Guè zeigt Gefühle, spricht über Liebe und wird melancholisch. Sehr schön ausbalanciert.

Also, es scheint ziemlich viele gute Tracks auf Madreperla zu geben. Und jene, die nicht weiter herausstechen. Der Closer Capa Tosta wartet mit einem sehr starken laidback-Beat auf, wird aber vom Feature-Partner Napoleone zu stark romantisiert. Fast schon kitschig. Der Opener Prefissi hat zwar ein gelungenes Thema – es geht um internationale Vorwahlen – bleibt aber hinter den Erwartungen, da sich Guè in keine Richtung weiterbewegt. Tuta Maphia lässt uns in alten Aggro Berlin-Zeiten schwelgen, das wars aber auch.

FAZIT

Feines Album mit starker Produktion und erfrischendem old-School Rap. Guè darf diese Welle gerne weiterreiten.

7,5/10