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PARAMORE – THIS IS WHY

© ATLANTIC RECORDS

Genre: POST-PUNK, ROCK, DANCE

Die Pop-Punker sind wieder zurück. Hayley Williams und ihre Jungs können mit This Is Why einen ordentlichen Entwicklungssprung vorweisen.

Auch wenn sich das Lineup in den vergangenen Jahren immer wieder verändert hat und sich Frontfrau Hayley Williams mehr und mehr der eigenen Musik verschrieben hat, ist Paramore nicht inaktiv gewesen. Die Band ist sich nicht zu schade, verschiedenste Dinge auszuprobieren und den Stil – auch radikal – zu verändern. Pop Punk zu Emo zu New Wave zu Post Punk oder Dance-Pop.

This is Why ist eine ziemlich gelungene Mischung aus vielen verschiedenen Genres – das hört man schon im gleichnamigen Opener. Ein starkes Brett, das sich aus Pop, Post-Punk aber auch sehr funkigen Dance-Melodien zusammensetzt. Hayley groovt durch die Strophe, ihre Kollegen steigen dann zum Refrain mit ein und es wird im Chor gesungen. Sehr befreiend lassen sie die große Anspannung, die in der Strophe aufgebaut wird, fallen und erklären was sie – vor allem Hayley – von großartigen Meinungen, „Ratschlägen“ von außen halten. Die Angst, Fans oder überhaupt irgendjemanden zu enttäuschen schwingt in Hayleys Vergangenheit mit, mit diesem Song will sie sich von ihr lösen.

The News behandelt eine ähnliche Thematik, eine kollektive Angst wird durch die Nachrichten getriggert. Wie kann man sich also davon befreien? Richtig, man schaltet den Fernseher einfach ab. Diese Lösung ist für Hayley allerdings auch nicht sonderlich zufriedenstellend. Nichts zu tun, obwohl man über die grausamen Dinge des Weltgeschehens informiert ist, bildet für sie einen Interessenskonflikt, den die Band mit sehr passenden Riffs und Hayley mit sehr ausdrucksstarkem Gesang und Melodien ausdrücken kann. Ein ganz kleines Break als Übergang zur Bridge, in der sich Hayley auf Stimmverzerrer verlässt und von Percussion angetrieben wird. Hier greift sehr viel ineinander, wunderbarer Track.

Verträumt geht es im dritten Song Running Out of Time weiter. Obwohl es sich hier um ein Lied handelt, dass den ständigen Stress des Lebens behandelt. Auch hier findet Paramore wieder einen Weg, die Thematik musikalisch sehr gelungen umzusetzen. Der Refrain explodiert im Gegensatz zur fast schon elegischen Strophe. Es sind Alltagsgeschichten die Hayley erzählt und die es dem Hörer leicht machen, sich in den Lyrics wiederzufinden.

Mit C’est comme ça kann man sich im Albumkontext besser anfreunden. Als alleinstehende Single war dieser Track nicht besonders auffällig – bis auf Hayleys Avril Lavigne-Gedächtnis-Refrain-Pieps-Gesang. Offenbar will sich Paramore hier selbst ein bisschen Freude machen und nicht allzu bierernst die Probleme des Lebens erzählen, obwohl c’est comme ça von mentaler Gesundheit handelt. Hat ein paar schöne Sequenzen und geht auch nicht mehr aus dem Ohr. Außerdem – Spoken Word kann schon ganz cool sein. Also: ALbustart mehr als gelungen.

Und Paramore lässt nicht nach: Big Man, Little Dignity stellt einen der besten Tracks des Albums dar. Super smooth, sehr synthilastig, Refrain zum Verlieben, Lyrics, die ein ziemliches Arschloch portraitieren, das aber immer auf die Sonnenseite des Lebens fällt. Hayley ist angewidert, kommt aber nicht von ihm los, er scheint sie bis in ihre Gedanken zu verfolgen.

Im Zwiespalt befindet sich Hayley auch im folgenden You First. Das Gute statt des Bösen wählen ist hier die Herausforderung. Abermals starkes Songwriting mit vielen Metaphern und gut gewählten Bildern. Hier ist viel Wut zu hören, sowohl was die Gitarren als auch den Gesang anbelangt. Es scheint, dass alles hier direkt aus dem Herzen oder aus der tiefen Seele kommt. Die wütenden Passagen lösen sich aber in sehr weiche und angenehme Klänge auf, die Befreiung ist deutlich hörbar. Ein wahnsinnig gelungener Spagat, mit großem Chorus.

In Figure 8 trifft das neue auf das alte Paramore. Synthi voll am Start, aber auch die schrillen Riffs der Anfangsjahre. Der Refrain ebenso ganz an die alten Tage angelehnt. Verträumt aber trotzem sehr kraftvoll. Ruhiger gehen sie es in Liar an, wo die Gitarre gezupft wird und das Lied sehr sanft beginnen lässt. Hayley zeigt sich im Refrain von ihrer zartesten Seite, bisschen ungewohnt auf diesem Album. Dieses Lied wird nur zwei Meinungen zulassen: Lieb es oder lass es. Unterm Strich ist Liar nett – was nicht unbedingt die größte Auszeichnung darstellt.

Das Ende von This is Why ist mit den Songs Crave und Thick Skull hingegen wieder voll gelungen. Crave hat Verzerrungen und entspannte Atmosphäre parat. Hayleys Gespür für die richtige Intonation zeichnet diese Platte außerdem aus. Zwar ist dieses Lied im Gegensatz zu den vielen kantigen und kompakten Rocknummern ein wenig sanfter, dafür steht die Entwicklung im Vordergrund. Ein schöner Spannungsbogen wird geschlagen.

Hayleys Liebe zu gebrochenen Menschen wird in Thick Skull besungen. Dieser Song beginnt ebenfalls sehr ruhig, fast schon Phoebe Bridger-esque. Ziemlich depressive Lyrics, die sich Hayley mit aufrichtigem Gefühl aus der Seele singt. Ein kräftiger Closer, der auf ein Zusammenspiel aus Gitarre, Piano und Gesang baut, was in diesem Fall eine fantastische Harmonie ergibt. Auch wenn man den Schmerz in Hayleys Stimme hören kann, bleibt schlussendlich doch so etwas wie Befreiung über.

Und dann ist das Ding auch schon vorbei. Leider. Zehn Tracks, 36 Minuten – man hätte noch ein, zwei Nummern mehr vertragen. Paramore hat eine eindrucksvolle Platte erschaffen, überraschend konsistent mit starken Songs, wirklich sehr gelungenem Gesang und einer einwandfreien – weil auch immer wieder sehr rohen – Produktion. This Is Why wird man so schnell nicht vergessen können. Trotz der Vielfalt aus Pop, Rock, Indie, Dance und Post-Punk wird ein einheitliches Klangbild präsentiert. Einfach superfein!

8,3/10