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TEXTA – MEHR ODER WENIGER

© Tontraeger Records

Dass die Veteranen des österreichischen (Mundart-)Raps ein achtes Studioalbum veröffentlichten, stand lange Zeit auf der Kippe. Nach dem tragischen und frühen Tod von Gründungsmitglied Harald Huckey Renner im Jahr 2018, lag Trennung in der Luft. Die übrigen drei Mitglieder der Gruppe rauften sich aber noch einmal zusammen und konnten Anfang Oktober 2021 Mehr oder weniger präsentieren.

BACKGROUND

Seit 1993 bereichert die Linzer Gruppe Texta die österreichische Rapszene. „Bereichern“ ist dabei noch freundlich ausgedrückt, in Wahrheit bildet Texta einen Grundstein der Szene und leistete vor allem auf der Mundart-Schiene Pionierarbeit. Die Kombo bestand ursprünglich aus fünf Mitgliedern: Den MCs Flip, Laima, Huckey, Skero und DJ Dan. Skero kam 2013 abhanden und fokussierte sich auf seine Solokarriere, die mit dem legendären Song Kabinenparty Fahrt aufnahm. Die restlichen vier Mitglieder blieben zusammen und veröffentlichten auch ohne Skero noch weitere Alben. 2018 musste Texta schließlich einen schweren Schicksalsschlag hinnehmen, als Huckey einer Krebserkrankung erlag. Die Zukunft stand in der Schwebe, DJ Dan hat die Gruppe im Grunde genommen per E-Mail aufgelöst. Ganz so einfach wollten Flip und Laima ihren DJ aber nicht davonkommen lassen – zuviel Feuer brannte noch in ihnen, zu sehr sahen sie sich auch verpflichtet, das Andenken an Huckey hochzuhalten. Nach Überlegungspause fanden sie sich wieder zusammen und im Studio wieder. Herausgekommen ist Mehr oder weniger, ein typisch politisches, humoristisches, aber auch persönliches Album, das insgesamt dreizehn neue Songs und eine Länge von 51 Minuten bietet.

REVIEW

Wie immer trat Flip selbst hinters Produzentenpult und fabrizierte die Beats für die Gruppe – und bleibt auch der Linie treu, hauptsächlich Oldschoolbeats bilden die Grunudgerüste für die Songs. Mit Ka Hoibe Soch startet die Gruppe ihr Album. Ein Lied, dass die letzten Jahre der Gruppe zusammenfasst und Flip und Laima auf die mögliche Trennung eingehen lässt.

Und vor am Johr hat uns da Dan per Email aufglöst
zerst war i aufglöst, dann hob i an Bam aufgstöt
Und hab ma docht – so derfs ned enden
Texta kann ned afoch so verschwinden – mit leeren Händen

Hinterlegt wird der Text von einem enorm feinen Beat, der direkt aus den 90er Jahren stammen könnte. Einziges Manko ist der dürftige Synthi (?) der zur Hook eingesetzt wird und fehl am Platz wirkt und auch zu mächtig gegen den Rest auffällt. Flowtechnisch schrammen einige Lines knapp am Scheitern vorbei, Flip als auch Laima bekommen die Silben aber noch rechtzeitig unter.

Der titelgebende Track Mehr oder weniger knüpft von der Amtosphäre an den Opener nahtlos an. Ein entspannter Beat samt Background-Chor. Sehr fein sind natürlich auch die Scratches von DJ Dan, die das Nostalgie-Gefühl noch stärker bedienen. Laima versucht einmal mehr zu viele Worte in eine Line reinzupacken, dass er es auch anders kann, beweist er in der zweiten Strophe. Inhaltlich dreht sich das Lied um die Aufs und Abs die man im Leben hinnehmen und verarbeiten muss.

Auf Zeitraum des Seins schlüpfen Flip und Laima in vier verschiedene Rollen: Einen Finanzbetrüger, eine Influencerin, HC Strache und ein junges schwarzes Mädchen. Textlich eine der besten Leistungen des Rapduos, mit einem massiven Makel: Die Hook fällt im Gegensatz zur Strophe massiv ab. Die Gesangskünste von Flip und Laima sind stark ausbaufähig, was bei Rappern nicht ungewöhnlich ist. Dieser Track hätte sich aber eine gut gesungene Hook verdient, vielleicht auch von einer Künstlerin von außerhalb des Texta-Kosmos. Der Beat ist zum Verlieben, Klänge eines Klaviers und dezente Saxophon-Akzente sorgen einmal mehr für Oldschool-Vibes. Hier hätte Texta dennoch noch mehr rausholen können, wenn nicht sogar müssen. Die zusammengeschmierte Hook lässt Herzen ein wenig bluten.

Dass sie schon 28 Jahre im Business sind, betonen sie in Habitus des Öfteren. Laimas Intonation muss man mögen, manchmal versucht er sich zu spannend zu machen. Die Hook dieses Tracks funktioniert – obwohl sie an jene des Vortracks erinnert. Hier passt die Teilnahme von Texta als Hook-Sänger aber herein, sie rappen in den Strophen über sich selbst, über ihr Dino-Alter und ihre Treue zur ursprünglichen Rap-Form mit der Hook unterstreichen.

Besonders viel Spaß werden Fans des Realraps mit Attitüde haben. Abermals blicken sie auf ihrer Karriere zurück, hypen die Zuhörer:innen in der Hook aber zur Ekstase. Live wird dieser Track zum absoluten Bringer, hier sollten keine Hände in den Hosentaschen bleiben. Flip hat auch als Produzent feine Arbeit geleistet, der Beat bringt viele spannende Teile mit sich, unter anderem eine feine Bläser-Kombo.

Ein paar Gitarren und eine Beatmaschine übernehmen dann in Silberstreif das Kommando. Flip und Laima lenken zum ersten Mal ein wenig Richtung Reggea – zumindest in der Hook und in Laimas Strophen werden diese Elemente offensichtlich. Das muss man als Hörer:in mögen – Mundart-Reggea ist keine Sache für jeden. Insgesamt ein solider Track, mit keinen weiteren Auffälligkeiten – bis auf die Gitarre, die durchaus Freude macht.

Ganz reduziert schlägt Texta mit Blindflug auf. Der Beat hat einige interessante Kleinigkeiten parat, die Hook animiert zum Mitrappen auf kommenden Konzerten. Der Unterdrückung der aufkommenden Wut und derern – manchmal auch zeitlich unpassender Entladung – wird dieser Song gewidmet.

Zur großen Reunion der Ursprungsformation von Texta kommt es in Ein besserer Ort. Parts von Huckey wurden ebenso eingegliedert, wie eine Hook von Skero. Der Beat wird einmal mehr vom Klavier getragen. Skeros Reggea-Hook mag sicherlich einige Fans finden, zwischenzeitlich klingt seine Intonation aber einfach unpassend. Natürlich hat dieser Track eine besondere nostalgische Note, ein richtiges Feuerwerk bleibt aber – trotz guten Tetxtpassagen – aus.

Das Leben als Elternteil fordert – darüber rappen sie in Stehend k.o. Flip ist in seiner Strophe auf der Suche nach den vergangenen Tagen, den Partys und Exzessen. Laima spricht davon, wie er seinem Sohn Rotkäppchen vorliest – und aus Langeweile an der immer gleichen Geschichte einen spanischen Akzent aufsetzt. Dann klingt er wie Klaus Eberhartinger und das ist überraschend unangenehm. Generell hat Laima manchmal äußerst stockende Passagen in seinen Texten, immer wieder verwendet er „tut“-Phrasen, die zwar in der Mundart irgendwie noch durchgehen können, beim Fan der deutschen Grammatik aber Schmerzen hinterlassen werden.

Zdeppat startet mit einem Sample von Cutty Ranks. Im Rest geht’s wieder mal um die bisherige Karriere, Flips Beat bleibt das Highlight des Tracks. Schneeregen fällt mit einigen spaßigen Lines auf (Da Verkehr bleibt liegen wia a Kebap im Bauch; I bin mit Sneaker aussi, des wor a schlimmer Fehler / brauchat Fellpatschal wie da Hansi Hinterseer) und präsentiert sich als atmosphärisch grauer, also ruhigerer Track.

Auch wenn sie betonen, dass Mit dir kein Liebeslied ist, muss man diesem Track trotzdem dieses Prädikat geben. Sehr biografisch und ehrlich erzählen die jeweiligen Rapper von ihren Beziehungen. Am Ende steht trotz manchen Streitigkeiten das Gemeinsame und die Erkenntnis, dass man zusammen alles schafft. Die dezenten Trompeten bringen dem Song die nötige Prise an Tiefe.

Vasprochen bildet den Schlusspunkt des Albums. Eine Partynummer für die Zeit nach der Corona-Krise. Macht auf Grund des Instrumentals viel Freude, wegen der Lines wie

Wasd woran du merkst, dass du oid wordn bist? / Dass da die Ausgangssperre von 8 bis 6 ned aufgfoin is wird der Track auch in Erinnerung bleiben.

FAZIT

Ja, neu erfinden sich Texta auf ihrem achten Album nicht. Das betonen sie auch des Öfteren in ihren Texten, sie haben sich einer bestimmten Form des HipHops und Raps verschrieben und bedienen diese auch. Herausgekommen ist eine dementsprechend solide Platte, die an manchen Stellen noch deutlich mehr aus sich herausholen hätte können. Die Reggea-Passagen muss man mögen, mit ihnen steht und fällt auch der komplette Hörgenuss. Unterm Strich kann man aber sagen: Gut, dass sie noch weiter machen. Die Szene braucht die Jungs einfach.

3/5 Pandroids

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