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HOLLY HUMBERSTONE – THE WALLS ARE WAY TOO THIN

© Polydor Records

Die zweite EP der britischen Sängerin Holly Humberstone ist erschienen. Darauf behandelt sie die Suche nach einer permanenten Heimat und das Gefühl der Verlorenheit. Hört sich am Papier dramatischer an, als es musikalisch klingt.

BACKGROUND

Holly Humberstone gilt als aufstrebender Star in der britischen Szene. Die 21-Jährige schaffte es in diesem Jahr auf Platz zwei der renommierten BBC Sound Of-Liste und ließ Künstler:Innen wie Berwyn, Griff oder Girl in Red hinter sich. Seit 2019 macht sie sich einen Namen, im August 2020 erschien die erste EP, jetzt legt sie mit The Walls Are Way Too Thin nach.

https://youtu.be/xR-_lLjJdn4

REVIEW

Sechs neue Songs bei einer Dauer von 21 Minuten warten auf die Hörer:innen. Holly Humberstone ist kein klassisches Singerl, das von der Industrie durch die Welt gezogen wird, sondern bietet feinsten selbstgeschriebenen Indie-Rock oder Indie-Pop. Produziert wurde die EP von Rob Milton, der schon mit der britischen Band Easy Life zusammenarbeitete.

Der Suche nach einem Zuhause unterstellt sie The Walls Are Way Too Thin. Haunted House eröffnet ihre zweite Setcard, ganz reduziert singt Holly über ein Klavier und über das Haus, in dem sie aufwuchs. Ein erstes Kennenlernen mit dem Sound der jungen Künstlerin, die vor allem dadurch auffällt, aus sehr wenig sehr viel herauszuholen. In einigen Nuancen erinnert sie dabei an Billie Eilish.

Im titelgebenden Track The Walls Are Way Too Thin wird es elektronischer, die Synthis kommen zum Einsatz, die E-Gitarren werden ausgepackt. Ein äußerst eingängiger Song, dessen Inhalt sich darum dreht, wie einsam sich Holly in ihrer Londoner Wohnung fühlte. Die Authentizität ihrer Lyrics kann man hören, auch wenn sie es schafft, diese ernsten Themen über mentale Gesundheit in einen konträren, freundlichen Sound zu packen.

Zusammen mit Matthew Healy schrieb sie den Song Please Don’t Leave Just Yet, der massiv von The 1975 beeinflusst wurde. Ganz ruhig und besonnen singt Holly darüber, dass sie nicht will, wie eine Person aufbricht. Klingt blöd, ist aber so einfach. Die Zeit in London, als sie auf sich alleingestellt war, wird hier einmal mehr verarbeitet. Musikalisch gibt’s Synthis, Klavier, Gitarren – in sehr reduziertem Maße.

Die Direktheit ihrer Worte lassen sich in Thursday besonders gut erkennen. Ein Song über eine gescheiterte Beziehung einer Freundin, die offenbar alles gab, um doch noch zu einem positiven Ende zu kommen. Holly wundert sich im Refrain sehr stark darüber, wie man sich trotz der Gemeinheiten so zusammenreißen kann und untermalt ihre Gedanken mit Synthis und einer dominierenden, aber sich nicht in den Vordergrund drängenden Percussion. Direkt im Anschluss folgt Scarlett, das die eben beschriebene Beziehung in Thursday noch einmal genauer benennt. Holly hat ihrer Freundin durch die Trennung geholfen und ihr dieses Lied als Zeichen ihrer Stärke geschrieben. Holly schreibt die Lyrics aus Sicht von Scarlett und liefert musikalisch das Highlight der EP ab. Hier stimmen alle Teile perfekt zusammen, die gewählte Gesangsmelodie umschlingt die Synthis harmonisch, die schrillen E-Gitarren drücken die zwischenzeitliche Verzweiflung aus, die Drums schlagen einen Takt vor, durch den sich der Song sagenhaft leicht anfühlt.

Der Closer Friendly Fire darf getrost in die Kategorie „Bester Trennungssong“ des Jahres nominiert werden. Das Thema der Trennung – die während des Lockdowns stattfand – wird zunächst unschuldig von einer akustischen Gitarre begleitet, ehe sich das Lied zu einer perfekten Billie Eilish-Nummer mit vielen Gesangsstimmen, Drums und Synthis entwickelt. Sie galoppiert mit dem Takt mit, nimmt zwischenzeitlich wieder Dramatik heraus, nur um zum Schluss alle Elemente zusammenzufügen. Den dargebotenen Harmonien kann man sich nur schwer entziehen – und auch wenn der Text etwas ganz anderes sagt – wirklich böse kann man Holly nicht sein.

FAZIT

Keine großen Experimente werden auf The Walls Are Way Too Thin geboten. Die Platte diente in erster Linie Hollys Seelenreinigung durch schwere und einsame Zeiten. Dafür, dass sie sich sehr persönlichen und sicherlich auch nicht einfach zu benennenden Themen hingibt, strotzt die EP fast schon vor Euphorie. Sie hat ein richtiges Maß an Melancholie und Aufbruchsstimmung vermitteln können. Wer auf Indie steht, wird sich hier sehr wohlfühlen. Auf ein Album darf man mit Freude entgehen blicken – wenn es dann so weit ist.

3,5/5 Pandroids

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