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SILK SONIC – AN EVENING WITH SILK SONIC

© Aftermath Entertainment & Atlantic Records

Anderson .Paak ist eine coole Socke – so viel wissen wir. Bruno Mars ist ein ziemlich mächtiger Sänger – so viel wissen wir auch. Was dabei rauskommt, wenn sich die beiden Musiker zu einer Band zusammenschließen, können wir jetzt hautnah erleben. Silk Sonic hat ein Album veröffentlicht.

BACKGROUND

Wie kommt es, dass sich die beiden zu einer Gruppe zusammenschlossen? Bruno Mars macht’s möglich. Im Rahmen seiner 24K Magic World Tour im Jahr 2017 ließ Mars Anderson .Paak die europäischen Tourstopps eröffnen. Aus gegenseitigem Respekt entwickelte sich rasch eine Freundschaft, die auch auf musikalischer Ebene Ausdruck finden sollte. Sie jamten zusammen, aus purer Freude am Spiel, verfolgten aber keine größeren Pläne. Dann kam die Corona-Pandemie und sie fanden sich aus denselben Gründen im Studio wieder – Hauptsache Freude. So entstand das Album, das im Vorfeld durch die Sensationssingle Leave The Door Open angekündigt wurde.

REVIEW

An Evening With Silk Sonic (with Special Guest Host Bootsy Collins) strotzt nur so von Energie und Freude. Die neun Songs mit einer Dauer von 31 Minuten lassen Hörer:innen in ein breites Spektrum verschiedener Genres eintauchen: Funk, R&B, Soul und auch ein wenig Pop – hauptsächlich unter der Prämisse, ein Gefühl der 60er und 70er Jahre ins Jahr 2021 zu transferieren. So treffen sich sehr viele Elemente der musikalischen Vergangenheit, mit jenen der Gegenwart.

Und dann ist da noch Bootsy Collins. Und überall wo Bootsy Collins draufsteht, ist der Funk auch drin. Der extravagante Bassist gibt den Special Guest und eröffnet auch das Album, er gibt die Richtung vor, für das was kommt: Leave The Door Open. Ein Song, der die Welt im Sturm eroberte. Ein Lied, das alles hat, was es braucht, um wirklich sexy zu sein. Viele Künstler:innen versuchen zwanghaft durch besonders laszives Verhalten einen erotischen Song zu schreiben, Silk Sonic machen es mit spielerischer Leichtigkeit. Die Kombo aus Andersons Percussion und Brunos massiver Fähigkeit, alle Herzen durch seinen Gesang zu erobern, ist unschlagbar. Vor allem überzeugen die beiden mit Witz, sie nehmen sich selbst und alles um sie herum nicht zu ernst. Soul, Funk, R&B – Percussion, Chöre, Klavier und Gesang. In dieser Form braucht es nicht mehr. Es ist kein besonders aufwendiges Arrangement, dass die beiden hier präsentieren, aber die Ausführung ist schlichtweg perfekt. Ja, vielleicht mutet dieser Track dem ein oder anderen etwas zu schnulzig an – aber schlechte Musik klingt anders.

Die Latte liegt natürlich hoch. Wer so eine Debütsingle droppt, muss damit rechnen, dass man ausschließlich so gute Songs auf dem Album erwartet. Der Funke soll sprühen – und das macht er auch. Fly As Me wartet mit einem extrem funkigen Thema auf, dem sich Anderson in seiner allerbesten Form hingibt und sich so dermaßen smooth durch die Takte rappt, dass man sich nicht satthören kann. Seine Parts stechen heraus, sie bilden die Lockerheit zu den massiven, schweren Powergesangspassagen von Bruno Mars. Das also ist Silk Sonic. Funk – wenn sie wollen.

Wenn wir Leave The Door Open schon als sexy deklariert haben, müssen wir After Last Night dasselbe Prädikat geben, mindestens. Thundercat und Bootsy Collins am Bass, aufreizende, vielleicht sogar ein wenig schlüpfrige Texte und ein Arrangement, dem man sich nicht entziehen kann. Sie spielen sich in einen Rausch, die Bläser tauchen auf, es entsteht eine musikalische Orgie, die in eine Art Trance umschlagen kann. Besonders bemerkenswert ist ja, dass Anderson mit Bruno stimmlich mithalten kann. Wie gesagt, sie ergänzen sich perfekt.

Auch Track fünf bildet keine Enttäuschung. Im Gegenteil, Smoking Out The Window schafft es, die Welle der Smoothness noch länger zu reiten. Ein weiterer perfekter Song, der von der Varianz von Andersons und Brunos Vortrag lebt. Das Lied gilt als Gründungssong von Silk Sonic, 2017 wurden die ersten Fetzen dieses Songs geschrieben. Sicherlich, Bruno ist manchmal an der Grenze zu absurden Höhen, aber solange es sich ausgeht, wird man nicht lange nachfragen. Keine Sekunde passt hier nicht.

In Put On A Smile scheint die Stimmung zunächst ein wenig ernster zu sein, die Streicher und das Piano intonieren eher düster als freundlich. Spätestens bei Brunos Weg zum Refrain will man sich in diesen Song aber hineinlegen. Mars trifft alle Töne mit so einer wuchtigen, wohltuenden Wärme und Fülle, dass einem tatsächlich das Herz aufzugehen scheint. Es ist die größte Ballade des Albums, perfekt vorgetragen von Bruno Mars und noch besser untermalt von Andersons Schlagzeug. Ja, Brunos Refrain kann man eventuell eine gewisse Übergröße attestieren – aber aus dem Kopf wird man ihn auch nicht bekommen. Ursprünglich war ich mir nicht sicher, ob der Song mit 4:15 Minuten zu lange ausfällt – mittlerweile kann ich mich mit der gewählten Dauer aber durchaus anfreunden.

Zu einem Stilbruch – im kleinen Sinn – kommt es dann mit 777. Dieses Lied dürfte vom letzten Bruno Mars-Album übriggeblieben sein. Keine schlechte Nummer, durchaus funkig mit gutem Groove – aber eben mit der Anmutung ein Bruno Mars und kein Silk Sonic-Song zu sein. Die zweite Auskopplung dieses Albums stellte Skate dar, eine geheime Hymne des vergangenen Sommers. Es funkt und sprüht aus allen Ecken und Enden, man kann die Menschen auf den Straßen der Bronx in den 70ern förmlich tanzen sehen. Es handelt sich hier um die poppigste aber gleichzeitig auch eingängigste Nummer der Platte, was angesichts der enormen Dichte an Hits eine echte Kunst darstellt. Wer schlechte Laune hat, sollte sich diesen Song anhören. Es wird euch dann besser gehen.

Geschlossen wird der Abend mit Blast Off, das eben ein wenig abgespact anmuten soll. Auch wenn es immer wieder ansprechende Passagen gibt, will der ganz große Groove und die große Euphorie nicht aufkommen. Eher fühlt sich der Song ein wenig nebelig an, ein Dunst zieht auf, der Rauch scheint im Aufnahmestudio zu stehen. Es sei ihnen verziehen.

FAZIT

An Evening With Silk Sonic macht Spaß. Es haben sich zwei Musiker gefunden, die perfekt zueinander passen und sich im Großen und Ganzen auch genug Raum geben, um in ihren jeweiligen Gebieten glänzen zu dürfen. Bruno tendiert zwar hin und wieder, sich doch ein wenig mehr in den Vordergrund drängen zu wollen, was manchmal zu Lasten von Andersons Coolness geht – aber das fällt in die Kategorie des Jammerns auf hohem Niveau. Gerne hätten sie noch mehr Material auf die Platte packen können. Bis auf wenige Ausnahmen treffen alle Lieder voll ins Schwarze. Freude, hochklassige Musik und ein einwandfreier Vortrag machen dieses Album zu einem Highlight. Ein starker Anfang eines hoffentlich nicht einmaligen Projekts.

4/5 Pandroids

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