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CASPER – ALLES WAR SCHÖN UND NICHTS TAT

Casper & EKLAT Tonträger

GENRE: Deutsch-Rap

Wann immer Casper etwas veröffentlicht, gilt es ganz genau hinzuhören. Auch bei seinem fünften Album Alles war schön und nichts tat weh verhält es sich nicht anders: Persönlicher Rock-Rap mit Nuancen von Euphorie.

BACKGROUND

Seit 2011 und seinem zweiten Studioalbum XOXO zählt Casper zu den absoluten Genregrößen des alternativen Deutschraps. Der Bielefelder mit amerikanischen Wurzeln konnte mit den Alben Hinterland und Lang lebe der Tod musikalisch starke Projekte nachlegen und vereint alle Einflüsse und Eindrücke der vergangenen Jahre auf Album Alles war schön und nichts tat weh. Produziert wurde die Platte hauptsächlich von Max Rieger, Frontman der Deutschpunk-Band Die Nerven, der im Umfeld Caspers sehr umtriebig ist und vergangenes Jahr auch das neue Album von Drangsal produzierte.

https://youtu.be/okjjkx1rDTU

Casper startet sein Album mit dem titelgebenden Track Alles war schön und nichts tat weh. Wie so oft startet er mit einem Knall, massives Klavier, Bläser, Banjos und die Erkenntnis, dass er zu viel nachdenkt. Der Titel Alles war schön und nichts tat weh stammt von Muff Potter, der Inhalt mitunter von Jeff Rosenstock (Ich wurd’s leid, meine Zukunft zu diskutier’n / Fing’ an, meine Freunde zu ignorier’n). Es wird eine persönliche Platte, soviel steht fest. Musikalisch mit immer mehr Drive, galoppieren wir mit Casper durch seine Vergangenheit und attackieren mehr und mehr die Gegenwart.

Nachdem er sich im Opener noch mehr dem Gesang hingegeben hat, zeigt er sich in Lass es Rosen für mich regnen von seiner raplastigsten Seite. Das liegt am unglaublich mitreißenden Beat, den Rieger zusammen mit den Krauts fabrizierte. Alles hier macht viel Freude, Casper mit starkem Flow, den man mittlerweile fast zu selten zu hören bekommt, dazu Feature-Gäste in Person von Provinz (Vincent Waizenegger) und Lena Meyer-Landrut, die ihren Part genau so erfüllen, wie Casper sich das wohl vorgestellt hat. Vincent als zweite Reibeisenstimme neben ihm, Lena als zartes Gegenteil im Outro. Diesmal geht’s mehr um die Vergangenheit und Caspers unterschiedliche Zugänge zum Songschreiben und Lebenszielen.

Mit Tua wird in TNT dann abgerissen. Der Rapper ballert eine Monster-Hook heraus, die sich auf nichts reduzieren lassen möchte und dementsprechend überraschende Wendungen vorweist. Casper wieder mehr beim Rappen, denn melodischen Sprechsingen. Das Arrangement glänzt, alles in allem ein mächtiger Song mit Streichern und gewisser Mystik.

Die massivste Nummer von Alles war schön und nichts tat weh findet sich in der Albummitte: Billie Jo, die Geschichte Caspers Cousine, die samt ihren Kindern von ihrem Mann ermordet wurde. Ja, das ist brutal harter Tobak – aber Casper entschlüsselt uns die Geschichte. Als Army-Veteran von traumatischen Störungen geplagt, findet Billie Jos Mann keinen Frieden zu Hause und macht das Unvorstellbare. Jede Sekunde der 4:40 Minuten ist schlichtweg fantastisch, alles passt, Text, Sound, sogar Caspers Ey, ey finden Raum und passen. Einer der besten Songs des Jahres.

Zwiebel & Mett, ein Grower auf Basis von Nirvanas Heart Shaped Box. Kein überdurchschnittlich besonderer Song, aber einer, der hervorragend den Kosmos Caspers beschreibt – mit Uh-Ah-Oh-Chören und der Mischung aus Rock und Sprechgesang. In Das Bisschen Regen widmet er sich Hurricane Catrina, der Mitte der 00er Jahre seine amerikanische Heimatstadt New Orleans verwüstete. Viele Anspielungen auf Ikonen des Big Easy und das Leben als Familie fern der Oberschicht. Casper versucht viel Pathos mitzugeben, von der erhofften Tiefe will aber nicht viel rüberkommen.

Wir wachsen auseinander, fühlst du das auch? fragt er anschließend in Wo warst du? Hier gibt es nichts, was wir nicht schon einmal gehört haben, wie so vieles in der Albummitte liefert uns Casper grundsolides Werk, das mit elektrischen Gitarrenzupfern, Percussion und Bass aufgeladen wird und das Casper mit seinem melodischen Refrain aufwertet. Aber überraschen wird er dadurch nicht.

Gegen Ende kommt es zu einer weiteren Welle an Features: Den Anfang mach Haiyti, die auf Mieses Leben/Wolken einen deutlichen Gegenpart zu Casper spielt. Während der Rapper mit großer Aggressivität auffällt, flüstert Haiyti fast ins Mikro und wartet mit einer Variation ihres Songs Wolken. Der Spagat der beiden Welten und Darbietungen funktioniert hervorragend, sowohl die Sanftheit Haiytis als auch die Aggression Caspers finden Platz nebeneinander. Das Ende bekommt wieder Pathos, diesmal kann man darüber aber getrost wegsehen.

Felix Brummer schaut in der Abriss-Nummer Gib mir Gefahr vorbei, die zu einem neuen Live-Highlight werden wird. Liegt an den Oh-Ah-Chören, an den elektronischen Mitteln und dem hohen Tempo der Nummer. Ein Grower, was eben vorallem daran liegt, dass man im Live-Konzert schon einen kleinen Einblick des Potentials gesehen hat. Auf der Platte springt der Funkt nicht unbedingt rüber. Kummer dafür aber mit einer der besten Lines des Albums: Noch mehr Self-Care und wir sterben vor Glück. Generell eine Ode ans Feiern nach der Pandemie.

Den letzten Gastbeitrag liefert schließlich Arnim Teutoburg-Weiß aka Teute, der auf dem reduzierten Euphoria die Hook übernimmt. Dieser Song verlässt sich auf die Basics, könnte von Bilderbuch inspiriert worden sein. Schöne Synthi-Akkorde, ein Piano wie von Coldplay, Teute mit dem ersten richtigen Falsett seit She Was Great. Auch wenn vieles übersteuert ist, kann man die Sonne gegen Ende wieder aufgehen sehen und sich im Klavier fallen lassen.

Fabian erzählt wie schon Billie Jo eine persönliche Geschichte, wieder glänzt Casper als deren Erzähler. Was so tragisch beginnt und zwischenzeitlich fast ausweglos erscheint, endet schließlich in purer Euphorie. Fabian hatte Krebs – aber ihn auch besiegt. Sieben mitreißende Minuten, mit allen Stärken Caspers und Chören. Eine Reise, die mitnimmt und ein perfektes Ende für dieses Album darstellt.

FAZIT

Keine Neuerfindungen, dafür viel Gewohntes – und das ist immer sehr gut. Casper liefert mit Alles war schön und nichts tat weh vielleicht nicht sein Bestes, aber ein sehr aufregendes Album ab, das sich in seiner Diskografie gut macht. Am stärksten ist er als Geschichtenerzähler, wie in Billie Jo oder Fabian. Wird live ein Genuss!

8,1/10

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