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SPIRAL DRIVE – VISIONS IN BLOOM | Track by Track – Review

© Stonefree Records

Genre: Psychedelic Rock

Das zweite Album von Spiral Drive überzeugt mit Vielseitigkeit, bunter Dominanz und Leben.

BACKGROUND

Seit 2017 treten Leadsäger und Kopf der Band Raphael Neikes, Bassist David Knevels und Drummer Nicholas Stampf als Spiral Drive auf. Ein Projekt, das sich dem psychedelischen Rock oder Neo Psychedelic Space Rock – wie die Band selbst zu sagen pflegt – verschreibt. Dementsprechend vielschichtig darf der Sound beschrieben werden: Zwischen analogen Synthis, verzerrten Gitarren, Grunge- und Krautrock-Einflüssen findet man irgendwo dazwischen oder auch überall darin Spiral Drive.

Das österreichisch-deutsche Projekt brachte 2018 erstmals eine Live-EP mit dem Namen Space Pirates Sessions heraus, das im Herbst 2019 vom Debütalbum Unity abgelöst wurde. Jetzt erschien Album Nummer zwei Visions In Bloom, ein 14 Tracks umfassendes, über 60 Minuten langes Doppelalbum.

REVIEW

Lange muss man nicht warten, um sich vom beschriebenen psychedelischen Sound überzeugen zu können. Nach dem kurzen, lauten, verzerrten Intro wird nahtlos perfekt in Echoes übergegangen. Eine mächtige 4 Minuten 20 Sekunden-Nummer, die den Spagat aus harter, gitarrenlastiger Musik und verträumten Synthis locker schafft und somit auch ein erstes echtes Brett von Visions In Bloom darstellt. Neikes stellt seinen Gesang nicht in den Vordergrund, sondern lässt ihn über den Instrumenten schweben, was noch besser passt, wenn er mantraartig tried to keep my head alive wiederholt.

Rock, Funk dominieren die erste Hälfte des Albums. Space Train wird seinem Namen gerecht, der Zug fährt ein, ohne genaues Ziel, dafür aber sehr angenehm unbeschwert: i‘m in for a ride |take me away |ooh space train |just take me away. Die Gitarre zerrt wo sie nur kann, der Synthi lenkt den Zug und der Bass sorgt für den Antrieb.

Und dann plötzlich Led Zeppelin. Ok, vielleicht ein bisschen kühn der Vergleich, die Gitarre von Heatwave könnte aber aus der Zeit der legendären Rockgruppe stammen. Ein hochenergetischer Song, zweideutig zu verstehen, sowohl der Klimawandel als auch Marihuana werden angeteasert. Je länger der Song dauert, desto härter wird der Sound und die Gitarren, es entwickelt sich ein Stoner-Kracher.

Für Neikes der wohl emotionalste Track des Albums folgt mit Yeti. Zusammen mit seinem älteren Bruder, der ihm als Wegweiser zur Gitarrenmusik diente, nahm er den Song auf, der von niemand geringeren als ihrem Vater geschrieben wurde. Wolle Verbal starb überraschend im Jahr 2020 und die beiden Söhne zollen ihm mit ihrer Interpretation von Yeti Tribut. Auch wenn ich ihn nicht gekannt habe, denke ich, dass er sehr stolz auf seine Jungs wäre, dieses Lied zählt definitiv zu den Highlights, bleibt im Ohr, hat wieder diesen typischen Mix aus Rastlosigkeit und Wohlgefühl. Außerdem sei an dieser Stelle auch erwähnt, dass Neikes genug Power in der Stimme hat, um das Genre bedienen zu können. Er stellt sich vielleicht nicht in den Vordergrund, geht aber auch keinesfalls unter, wodurch man die Produktion lobenswert erwähnen kann. Das musikalische Thema von Yeti umfasst eine feine, kleine Melodie, die den Pfad zum Schneemonster legt.

Wäre man langweilig, würde man Lines for Lives als Tame Impala-Klon titulieren (ich will gar nicht wissen, wie oft sich die Band diesem Vergleich ausgesetzt sieht). Es gibt schlimmere Dinge als mit Kevin Parker verglichen zu werden, Lines for Lives fällt mit einem satten, tiefen Thema auf, über das Raphael Neikes hinwegschwebt. all that i know is that this is a show | pretending it‘s fine / layin‘ another line – der Verdacht liegt nahe, dass Drogen eine Rolle spielen. Eh klar. Musikalisch bleiben wir auf sehr hohem Niveau, abermals vergehen die fünf Minuten wie im Flug.

Als Livemusiker unterstützt Neikes die Tiroler Erfolgsband Mother’s Cake schon einige Jahre. Für Screwed hat er sich Frontman Yves Krismer ins Studio eingeladen und einen echten Rocksong, den wohl pursten von Visions In Bloom aufgenommen. Hier stehen Gitarre und Gesang im Mittelpunkt, alles andere umkreist Yves. Die Pace ist von vorne bis hinten extrem hoch, es bleibt kein Raum für Langeweile.

Mit Lord Fascinator kommt gleich der nächste Gastmusiker in 13th Eye vorbei, der uns erklärt, dass er gewisse Taten schon vor uns erkennen kann. Wir switchen ab sofort in den zweiten Teil des Albums, der das Augenmerk mehr auf die psychedelische Schiene legt und somit auch den Synthi mehr Raum zum Glänzen gibt. 13th Eye gibt sich wie fast alles auf Visions In Bloom viel Zeit, um sich entfalten zu können, geht den letzten Schritt der Spannung aber nicht voll mit, sondern verliert sich ein bisschen im eigenen Träumen. Das macht ihn keineswegs zum schlechten Song, seine Länge kann er aber nicht abstreiten.

Einmal kommen die tiefen Gitarren noch zum Einsatz. Illusion schlägt mit einfachem Riff auf, das sich im Laufe des Songs auch nicht drastisch ändert. Es gibt die Stimmungswechsel von laut auf leise, mehr passiert nicht. Die Band hat sich offenbar noch einmal warm spielen wollen, bevor die ganz großen Nummern kommen.

Mit Hypnotized wird langsam das Plattenende eingeläutet. Jetzt wird’s trippy, ein bisschen verschwommen, bunt. and i searched | and i roamed | and i waited for so long | so long | so long | so long | to find someone like you | the way you make me feel schreit Neikes dezent und verliert sich anschließend wieder in der Hypnose, die zum Schluss noch einmal ihre volle Wucht entfaltet und im Wechselspiel zwischen Synthi und Gitarre atmosphärisch dem Titel alle Ehre erweisen.

Omnesia lebt von der Percussion und dem ganz dezenten Funk, der sich im Refrain noch einmal zu lauten und kräftigen Gitarrensound entwickelt. Ein bisschen White Strips, ein wenig Red Hot Chili Peppers und klar, auch Pink Floyd kann man da raushören. Spiral Drive versteht es sowohl sich die Einflüsse zu Nütze zu machen, als auch in den rein instrumentalen Phasen die Energie so hoch zu halten, dass man mit weit aufgerissenen Gehörgängen vor der Anlage sitzt und wartet – auf das was als nächstes kommt.

Gib mir eine achteinhalb Minuten-Nummer und ich sage dir was du noch erleben wirst. Mit Ego Placebo trauen sie sich den Schritt der überlangen Single zu, vermeiden dabei unnötige Wiederholungen oder irrelevanten Schnickschnack und schlagen dafür wieder mit einer Symbiose aus 90er Gitarrensound und postmodernen Synthis auf. Dabei bleibt Raum für diverse Soli, für das echte Verlieren im Sound, für eine Trance, sowohl für Musiker als auch Publikum. Wer solche Tracks schreiben kann, wird nicht nur live zum absoluten Kassenschlager, sondern darf sich auch getrost als Songschreiber bezeichnen – viel besser geht es dann auch nicht in diesem Genre.

Die Synthis bleiben auch in Inner Truth noch draußen, das sich als Downer vom Ego Placebo-Rausch eignet. Wir schweben wieder durch den Weltraum und scheinen, wie Neikes singt, in unserem Inneren angekommen zu sein. Komm, einmal geht’s noch: Das ist schon ziemlich Tame Impalarisch.

Bleibt noch der Closer dieser einstündigen Expidition: All Of This Time hat immer wieder Radiohead-Facetten, fällt aber vor allem durch Neikes Gesang auf. Ein feiner Ausklang, der sich auch ein Gitarrensolo schenkt, was als letzte kleine Turbulenz vor der Bahnhofseinfahrt des Space Trains verstanden werden kann. Ob der Track außerhalb seines Albumgerüsts funktionieren kann, will ich nicht beurteilen. Als Schlussakt aber sehr, sehr gelungen.

FAZIT

Visions In Bloom darf nicht untergehen. Visions In Bloom muss den Durchbruch für ein Projekt darstellen, das größer denkt und sich noch viel größeren Dingen verschreibt, wie es andere Gruppen in ähnlichem Entwicklungsstadien machen. Raphael Neikes und seine Mitstreiter schaffen die Diskrepanz verschiedener Musikwelten zu übertauchen und sowohl Rock- als auch Psychedelic-Fans zu bedienen. Die Platte hat nicht viele Schwächen, höchstens der Übergang vom gitarrenlastigen ersten, zum verträumten zweiten Teil hätte noch smoother von statten gehen können. Das soll dieses energiegeladene, von unzähligen Ebenen strotzende Werk aber nicht schmälern. Man muss es hören, um es erleben zu können. Nächster Halt: Die großen Bühnen!

8,3/10

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