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Ariana Grande – Positions

© Universal Music

Das überraschend angekündigte und doch auch lang ersehnte Album ist da. Wie in den Vorgängerwerken gibt Ariana Grande wieder viel Einblick in ihr Leben – wenn auch mit mehr privaten, denn wirklich persönlichen Zeilen.

Ariana Grande musste sich in den vergangenen Jahren den Kummer, das Leid und die Sorgen von der Seele schreiben. Die beiden vielbeachteten Alben Sweetener und Thank U, Next dienten der Aufarbeitung zahlreicher Schicksalsschläge, wie dem Bombenattentat im Zuge eines ihrer Konzerte in Manchester, dem tragischen frühen Tod ihres Ex-Partners Mac Miller oder der geplatzten Verlobung mit Pete Davidson. Grande konnte ihr Seelenleben in Musik verpacken, die nicht nur erfolgreich, sondern auch mit ihrer Dynamik und Vielseitigkeit überzeugen konnte. Damit sind die Anforderungen für ihr neues Werk Positions enorm hoch.

Horny Ari is back

Positions ist weder mit Sweetener noch mit Thank U, Next vergleichbar – so viel sei schon vorweggenommen. Es ist erfrischend und es sei ihr sehr vergönnt, dass sie ihr Leben wieder in vollen Zügen genießen kann. Ariana Grande macht keinen Hehl daraus, dass sie derzeit sehr glücklich in ihrer Beziehung lebt. So glücklich, dass die Endorphine nur so herumschwirren und sie hauptsächlich eines will: Sex.

Der Geschlechtsakt als Leitmotiv eines Musikalbums ist so alt wie unspektakulär. Grande versucht das Thema nicht zu offensichtlich zu behandeln, versteckt ihre Botschaften in dennoch wenig subtilen Titeln wie 34+35, nur um dann ganz platt im Refrain zu verkünden:

Can you stay up all night?
Fuck me ’til the daylight
Thirty-four, thirty-five…
…Means I wanna “69” with you
No shit
Math class
Never was good.

Sexpositionen sollen gelernt sein. Love Language würde es inhaltlich gerne mit Cardi Bs WAP aufnehmen, zieht aber deutlich den Kürzeren: Baby pardon my French / But could you speak in tongues /… / Treat it just like Givenchy, it’s expensive to taste / Ain’t no need to remind ya, it’s AG in your face.

Anspielungen der platten Art finden sich in Zeilen fast aller Songs wieder. Dementsprechend wenig überraschend auch in Nasty: Promise Imma give it to you like you never had it / I do it so good it’s gonna be hard to break the habit / You’re like a whole constellation / Swimming like you’re on vacation. Grande hat Sex des Öfteren zum Thema gemacht, in ihrem Weihnachtsalbum Christmas & Chill finden sich ebenfalls genug, wenn auch weniger offensichtliche, Anspielungen. Der Unterschied besteht schlicht in der direkten und offenen Kommunikation.

Einheitsbrei

Die Texte waren selten die größte Stärke der 27-jährigen Sängerin. Sie vertraut auf ihren bekannten Pool an befreundeten Songschreibern (Victoria Monet hatte wieder ordentlich ihre Finger im Spiel) um Hits zu kreieren. Im Unterschied zu den vorhergegangenen Alben fehlen die schwedischen Pop-Songschreibergranaten Max Martin and Ilya Salmanzadeh diesmal gänzlich. Das ist eine mögliche Erklärung für die doch sehr ausbaufähigen Lyrics, die gerne sexy sein wollen hauptsächlich aber nichts anderes als cringy sind.

Bleibt noch die große Stärke Ariana Grandes: Der Gesang. Und der will auf Positions einfach nicht wirklich bedient werden. Im Gegensatz zu Sweetener und Thank U, Next findet man auf Positions keinen Song der richtig flasht, die Hörer aus dem Sessel haut. Man könnte sagen, Grande geht zurück zu ihren Wurzeln. RnB-lastig, aber immer noch Pop-Musik. Mit dem großen Problem, dass das Album auf ein nicht existierendes Highlight wartet. Nur ganz selten bricht die Brillanz richtig aus, my hair sticht als Ausnahme hervor.

In Spotify-freundlicher Manier sind die meisten Songs auf unter drei Minuten Länge angelegt. Was kurz klingt, entpuppt sich beim Hören als zweischneidiges Schwert. Man sehnt einen Höhepunkt herbei, der ausbleibt weil der Song zu Ende ist und hat gleichzeitig das Problem, dass sich einzelne Lieder einfach ewig lang anfühlen. off the table bringt ein Feature mit The Weeknd und damit die Möglichkeit, auf eine – wenn man so will – sehr versaute Zusammenarbeit. Statt dem erwarteten Sex-Song, bekommt man eine perfekte Einschlafhilfe. Keine Schlaftablette der Welt kann diesen Song ersetzen, vor allem da er im Sandwich mit weiteren gähnungsfördernden Songs wie just like magic und six thirty liegt. Positions tut sich schwer richtig in die Gänge zu kommen. Es tendiert vor allem in der ersten Hälfte zur Langweile.

Quarantäne-Album

Positions reiht sich ein in eine Reihe vieler Alben, die 2020 unter Quarantäne entstanden sind. Die Voraussetzung für eine Aufnahme sind dementsprechend alles andere als einfach, dennoch konnte das Grande-Team zumindest bei der Produktion der Songs punkten. Die monotonen und gleichklingenden Melodien sind wenigstens kristallklar zu hören und vielschichtig. Neben der Kollaboration mit The Weeknd wurden noch Doja Cat (motive) und Ty Dolla Sign (safety net) eingeladen mitzuwirken. Mit Letzterem scheint die Chemie zu stimmen, safety net ist noch einer der besseren Songs des Albums. Dojas Beitrag auf motive wäre hingegen nicht unbedingt notwendig gewesen.

Man wird das Gefühl nicht los, dass eigentlich Zwänge im Zentrum von Positions stehen. Der Zwang auch noch schnell ein Album auf den Markt zu werfen, das voll von gezwungen-sexy Lyrics ist. Im Gegensatz zu anderen Quarantäne-Alben (Charli XCXs How I’m Feeling Now etwa) will hier kein richtiger Vibe aufkommen. Zusammenhängend funktioniert das Album nur schwer – Ariana setzt auf die sichere, ja leider auch maue Schiene und wagt hier nichts neues. Muss sie auch nicht, es reicht wenn sie Freude an ihrer Arbeit und an ihrem Leben findet. In Anbetracht der vergangenen Alben stellt Positions aber leider eine vertane Chance dar. Das volle Potential wurde leider nicht ausgeschöpft. Einzeln betrachtet dürften einige Songs besser funktionieren, für einen echten Albumgenuss muss man hier schieben und ziehen.

Die Bilder die Grande zeichnet, mögen hin und wieder schön sein – wenn sie über die hoffentlich bis ans Lebensende anhaltende Liebe mit ihrem Freund spricht. Statt langer Beziehung und echter Romantik, gibt Positions aber eher den One Night Stand. Eine Nacht Spaß, danke da war’s. Um daraus eine ernsthafte Beziehung entstehen zu lassen braucht es viel Arbeit, Durchhaltevermögen und Wille. So auch bei diesem Album. Solide, aber bei weitem nicht außergewöhnlich, mit der Tendenz zu sagen: Thank U, Next.

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